Radtour 2004

Radtour 2004
Oberstedten- Islay

oder:
von einer Schnapsidee
zum geglückten Selbstversuch

 



Die Geburt der Schnapsidee


erster Plan

... einer Schnapsidee im wahrsten Sinne des Wortes: Der erste Gedanke, die Schottland-Tour von 1988 noch einmal in etwas abgewandelter Form zu wiederholen, kam mir auf dem „Whisky-Seminar“ im „Null-Zwo“. Letzteres hatte mir meine Familie zum 50-ten Geburtstag geschenkt. Sie Ist also nicht mehr ganz so taufrisch, diese Idee. Irgendwann an einem langen, einsamen Abend beim ich-weiß-nicht-wie-vielten Laphroaig begann ich damit, eine Schottland-Karte an die Wand zu pinnen und mit kleinen Nadeln in handliche Strecken einzuteilen. Das ist nun auch schon wieder einige Monate her. Und jetzt steht mein Fahrrad plötzlich vollbepackt oben im Flur und ich kann gar nicht glauben, dass das jetzt alles Realität werden soll...

Na ja, bis Schottland ist’s weit. Und nach den Erfahrungen der letzten Tour ist es keineswegs gewiss, dass ich je dort ankomme. Schaun mer mal.


Samstag, 31.07.2004, 17:40; km 0,00

Bis auf wenige Ausnahmen alles gepackt. Das Rad steht startbereit im Flur. Wieder mal alles viel zu schwer, obwohl ich noch mehr geplant und „gesiebt“ hab’ als sonst. Drei Wochen sind halt eine lange Zeit, da kommt schon einiges an Klamotten zusammen. Hab’ mich streng an dem alten Packplan und den Notizen orientiert, die ich mir gemacht hatte – genutzt hat’s trotzdem nix, alles ist wie immer.

Nur die Nervosität hat noch zugenommen. Über 15 Jahre sind seit meiner letzten Solo-Tour vergangen. Das heißt, ich bin mehr als 15 Jahre älter als damals. Und mein Fahrrad auch. Es ist wohl die letzte Tour mit dem alten Drahtesel. Es gehört schon ein gewisses Maß an Verrücktheit dazu, sich auf so etwas einzulassen. Auf jeder Tour hat das Rad bisher Schwierigkeiten bereitet: Gebrochene Speichen, Platten (nun gut, die können immer auftreten) und eine Gangschaltung, die von Anfang an nie richtig funktionierte...

Alles an dem Ding ist nicht mehr zeitgemäß - aber das ist ja wohl gerade das, was uns zusammenschweißt.

Kann kaum glauben, dass es mir gelungen ist, mich mal für drei Wochen „freizuschaufeln“. Beruf, Familie, Haus- und Garten, Verein – alle haben in den letzten 15 Jahre stark an meinen Nerven gezehrt und mich bis zum Schluss auf Trab gehalten. Jetzt wird sich nur noch auf die vor mir liegende Strecke konzentriert. Morgen früh geht’s los. Erste Etappe: Meine Standard-Strecke über Bad Schwalbach durch das Wispertal an den Rhein und dann linksseitig Richtung Koblenz. Letztes mal hatte ich das noch an einem Tag geschafft. Mal sehen, was morgen ist.

Ach ja: Die Vorbereitung! – Wie bei meiner letzten Tour ist sie erbärmlich. Trainingskilometer auf dem Fahrrad vernachlässigbar gering, gleich Null in diesem Jahr. Deshalb fahr’ ich auch alleine, muss sehen, dass ich unterwegs Kondition aufbaue. Die „Grundausstattung“ dürfte ja durch Karate und Jogging vorhanden sein. Anders als bei der letzten Tour hatte ich in diesem Jahr allerdings schon mit einigen gesundheitlichen Problemen zu kämpfen. Darf’s gar nicht laut sagen, auskuriert habe ich immer noch nicht alles. Mein Tinitus z.B. ist mir bis heute treu geblieben.

Mein Startgewicht liegt bei 71,8 kg, das Gepäck hab’ ich noch nicht gewogen.


Sonntag, 01.08.2004


Koblenz, Deutsches Eck

Strecke:

Oberursel – Königstein – Fischbach – Eppstein – Niederseelbach – Engenhahn – Taunusstein – Bad Schwalbach – Lorch – Oberdiebach – Bacharach – Oberwesel – St. Goar – Boppard – Spay - Koblenz

Uhrzeit:  05:45, km 00,00, Oberstedten

Nichts hält mich mehr im Bett. Nach einer unruhigen, fast schlaflosen Nacht will ich’s jetzt wissen. Packe meine Sachen und mache, dass ich auf die Straße komme.

Uhrzeit:  07:00, km 00,00, Oberstedten

Abfahrt bei 22° und  Sonne. Zur Kontrolle: Der Gesamtkilometerstand des Tachos beträgt ganze 13,00 km. Moni begleitet mich bis Oberursel, dann geht’s alleine weiter.

Uhrzeit:  09:25, km 31,69, Abzweigung nach Niederseelbach

Erreiche Abzweigung nach Niederseelbach. Erster Stopp vor dem Anstieg nach Engenhahn. Schiebe noch einen Müßlieriegel rein. Hatte ganz vergessen, dass es auch vor Engenhahn und Bad Schwalbach schon ganz ordentliche Berge gibt...

Probleme macht (wie erwartet) die Gangschaltung und (nicht wie erwartet) mein kleiner Bordcomputer. Hatte ihn falschrum eingebaut/aufgesetzt, da hat er zunächst gar nichts angezeigt. Nach ca. 4 km hab’ ich’s  gemerkt und umgefriemelt. Jetzt zeigt er 27,6 km an (plus 4 wären dann 31,6 km); könnte nach meinem „Gebetbuch“ auch hinkommen.

Uhrzeit:  11:30, km 57,00, Kreuzung B260

Habe soeben den höchsten Punkt  (hinter Bad Schwalbach, Kreuzung B260) hinter mir gelassen und kann jetzt gemütlich ins Wispertal einbiegen. Es ist heiß, aber schön. Hat alles geklappt, bis auf die paar geschilderten Problemchen. In Erinnerung an die erste Hollandtour habe ich an den gleichen Stellen kurze Pausen eingelegt: Erst in Taunusstein, dann erste Kurve im Wald hinter Bad Schwalbach. Der Kilometerzähler zeigt 53 km (plus die ersten 4 km).

Uhrzeit:  12:30,  Wispertal, Kammerburg

Kurze Mittagspause im Wispertal bei Himbeertorte und Spezi im Gasthaus Kammerburg. Erster Versuch mit Handy: „Kein Netz“! – Hoffentlich kein Omen für die nächsten Tage. Nach einer viertel Stunde geht’s schon wieder weiter.

Uhrzeit:  13:20, km 83,80

Erreiche die Rheinfähre Lorch, Bullenhitze.

 
Vater Rhein... (Quelle: Internet)

Uhrzeit:  17:30, km 136,35, Koblenz, Hotel Hamm

Bin vor ca. 20 min hier im Hotel Hamm, St.-Josef-Straße, Koblenz, abgestiegen. Wurde mir als sehr preisgünstig empfohlen, kostet aber lt. Rezeption 49,00 €. Der obligatorische Zettel im Zimmer sagt sogar 70,00 €. Werde mich wohl darauf einstellen müssen, dass die Preise langsam überall verrückt spielen. Muss abends wieder früher mit dem Suchen anfangen. Nach über 10 Stunden im Sattel bei den Bergetappen und der anschließenden Gluthitze im Rheintal hatte ich nicht mehr die geringste Lust, auch nur einen Meter weiterzufahren.

Angenehme Überraschung des heutigen Tages: Vater Rhein ist wieder sauber! 1988 hatte ich mich noch über die „stinkende Kloake“ aufgeregt. Jetzt stinkt nix mehr. Türkisblau wälzen sich die Fluten dem Flussbett hinab. An flachen Stellen kann man den Grund wieder sehen und überall dort, wo Sand die Ufer bedeckt sieht man wieder Badegäste - nicht nur beim Sonnen, sondern tatsächlich auch beim Schwimmen. Die Fische müssen jetzt nicht mehr fürchten, im Dreck zu ersticken, sondern wieder aufpassen, dass sie nicht an einem Angelhaken ihr Leben beenden; zahlreiche Petri-Jünger lauern am Ufer auf einen Leckerbissen.

Der Radweg wurde an zahlreichen Stellen erneuert und verbreitert. Das ist auch dringend erforderlich, denn der Rad-Tourismus boomt. Dort, wo der Weg noch schmal ist – wie zum Beispiel direkt nach dem Übersetzen von Lorch nach Oberdiebach – wird’s gefährlich. Keine zwei Meter Breite und Gegenverkehr! Es hat keine fünf Minuten gedauert, da hab’ ich schon das erste Opfer mit Kopfverletzung am Radweg liegen sehen.

Die Fahrt war trotz Hitze angenehm. Nur hinter Boppart ward’s dann etwas lästig, Lust und Kraft ließen langsam nach. War ja auch landschaftlich nicht mehr ganz so reizvoll.  Die letzten Kilometer nach Koblenz rein bin ich schließlich auf der Bundesstraße (B9) entlang gestrampelt. So, jetzt wird geduscht und dann geht’s Essen.

 
Deutsches Eck (Quelle: Internet)

Uhrzeit:  22:30, Koblenz, Hotel Hamm

Bin wieder zurück im Hotel. Wusste gar nicht, dass Koblenz so groß ist. Schätze, 10 km bin ich mindestens gelaufen, an Rhein entlang bis zum Deutschen Eck. Erinnerungen aufgefrischt, Denkmal jetzt mit Kaiser Wilhelm angeschaut (letztes mal hat er noch gefehlt), gegessen (Biergarten direkt am Deutschen Eck, Hähnchen plus Radler) und schon musste ich mich wieder sputen, dass ich noch zu vertretbarer Zeit zurück bin, muss schließlich morgen wieder früh raus. Will zwar nicht schon wieder 136 km fahren, werde aber auch weniger Zeit haben, denn so früh wie heute komm’ ich bestimmt nicht mehr weg.

Montag, 02.08.2004


Aachen, Dom (Quelle: Internet)

Strecke:

Koblenz – Weißenturm – Andernach – Sinzig – Bad Neuenahr – Gelsdorf – Rheinbach – Euskirchen – Zülpich – Düren – Eschweiler  – Broichweiler – Würselen – Aachen

Uhrzeit: 08:40, Koblenz, Hotel Hamm

On the road again. Geplantes Tagesziel: Köln

Uhrzeit:  09:50, km 18,07, Weissenthurm

Habe das Industriegebiet um Koblenz hinter mir gelassen und mich auf den Radweg am Rhein in Richtung Köln „eingefädelt“. Nächstes Etappenziel = Andernach. Im Gegensatz zur letzten Tour lacht diesmal die Sonne. Vielleicht sind deshalb die Eindrücke von den letzten Kilometern Fahrtstrecke diesmal nicht ganz so negativ.

Uhrzeit:  12:00, km 40,75, B9 (kurz vor Sinzig)

Frittenbude an der Bundesstraße B9, vermutlich kurz vor Sinzig (hoffentlich). Erinnerungen an 1988 werden wach. Bin nun schon über 3 Stunden unterwegs und hab’ gerade mal schlappe 40 km gepackt. Aber – einziger Trost – es liegt nicht an mir, sondern an dem schlecht ausgeschilderten (und manchmal auch überhaupt schlechten) Radweg. Hatte aber angenehme Gesellschaft: Eine Damen-Rad-Wandergruppe und ein männlicher Einzelkämpfer.

„Suchet, so werdet ihr finden“ -  unter diesem biblischen Motto stand der heutige Vormittag. Die letzten Kilometer habe ich, um überhaupt etwas auf den Tacho zu bringen, auf der Bundesstraße zurückgelegt.

Allerdings: Der Radwanderweg entlang des Rheins ist – sofern er vorhanden ist und man ihn auch findet – ein Genuss. Auf weiten Strecken fehlt er aber ganz einfach oder führt sonst wo lang, weit weg vom Rhein (meist, um ein Industrieareal zu umgehen).

Habe übrigens unterwegs umdisponiert. Werde heute nicht Köln ansteuern, sondern verlasse bei Sinzig den Rhein, um mich direkt Richtung Aachen auf den Weg machen. Mal sehen, wie weit ich heute noch komme...

Uhrzeit: 16:55, km 101,99, Zülpich

Habe gerade Markus per Handy erreicht. Neue Entscheidung: Fahre heute bis Aachen durch und verbringe dort auch den morgigen Tag. Das ist allerdings noch ein gehörigen „Schlauch“ – ca. 50 km bei einer Affenhitze.

Uhrzeit:  20:35, km 156,77, Aachen, Roermonder Straße

... bin am Tagesziel angekommen.

Uhrzeit:  00:10, Aachen,  Roermonder Straße

Rückkehr vom Stadtbummel mit Markus. Stationen: Papillon, Rathaus, Dom, Magellan und wieder zurück.

 
Aachen,Dom (Quelle: Internet)

Aus der Erinnerung hier noch mal die Nachmittagsetappe: Verlasse den Rhein bei Sinzig und folge für einige Kilometer der Aar (Aartal-Rad-Wanderweg). Das macht richtig Spaß – aber bereits bei Aarweiler hat der Spaß abrupt ein Ende. Wenn ich nach Aachen will, heißt das jetzt: ab in die Berge, die Eifel ruft! Die ersten Kilometer – bis etwa Gelsdorf  (Grafschaft) – sind ganz schön bitter, vor allem wegen der Gluthitze, ist bestimmt mehr als 30° im Schatten. Ständig ist die Wasserflasche leer und meine Zunge liegt wie eine alte Wollsocke in der ausgetrockneten Mundhöhle.

Weiter geht es über Rheinbach und Euskirchen nach Zülpich. Die großen Steigungen sind glücklicherweise passé, jetzt gilt es nur noch, Kilometer zu „fressen“. Und das läuft wie geschmiert – allerdings immer auf der stark befahrenen Bundesstraße entlang. In Zülpich habe ich mein persönliches Tagespensum (= 100 km Fahrstrecke) erfüllt und wäre dort geblieben, wenn ich nicht Markus per Handy erreicht und etwas anderes vereinbart hätte...

Der weitere Verlauf: Düren – Eschweiler – Broichweiler – Würselen – Aachen. Das waren, von der Entscheidung in Zülpich aus gerechnet – noch einmal 50 km harte Arbeit. Ab Eschweiler war’s dann nur noch Stress: Ganz miese Radwege und überaus aggressive Autofahrer.

Ach ja, erwähnenswert wäre da noch der Bienen- oder Wespenstich auf der letzten Etappe – von oben ins T-Shirt rein und dann mitten in die Brust...


Dienstag, 3. August 2004


Markus, Aachen

Aachen, Roermonder Strasse

Lange geschlafen, ausgiebig gefrühstückt, in aller Ruhe die Tour für morgen geplant – das war das heutige Vormittagsprogramm. Dann ging’s mit Markus in die Stadt, einkaufen. Eine neue Mütze und zwei T-Shirts waren fällig...

Das Wetter ist schön heute, aber für meine Begriffe bereits schon wieder unerträglich heiß. Vertrage die Hitze beim Einkaufen oder Spazieren gehen schlechter, als beim Strampeln auf dem Fahrrad.

Am Nachmittag ist dann zunächst Mikroökonomie angesagt, Übungen anhand ehemaliger Klausuren. Es ist für mich die erste Wiederbegegnung mit dieser Materie seit meinem Studium. Hatte das in meinem gesamten Arbeitsleben, in über 30 Jahren an unterschiedlichsten Stellen und Funktionen nie wieder gebraucht. Wie war das doch: „Für das Leben, nicht für die Schule lernen wir“ – oder etwa doch umgekehrt?

Uhrzeit: 22:55, Aachen, Roermonder Strasse

Wenn so eine Radtour für etwas gut ist, dann dazu, den Blick für das Wesentliche zu schärfen. Als „nicht wesentlich“ für die weitere Tour habe ich heute folgende Dinge erkannt:

Den Nachmittag haben wir dann mit der bereits zitierten Mikroökonomie verbracht. Die Preisbildung beim Monopolisten war eines der Themen (Cournot-Wettbewerb, Kosten-, Absatz und Gewinnfunktionen, etc. pp.).

Nach dieser Kopfarbeit ging’s dann noch mal in die Stadt. Abendessen, Bierchen, kleiner Rundgang. Jetzt sind wir wieder hier auf den Studentenbude in der Roermonder Straße. Morgen früh geht’s weiter.


Mittwoch, 4. August 2004


Belgien

Strecke

Aachen – Nijswiller – Wittem – Gulpen – Margraten – Maastricht – Lanaken - Zutendaal – Wiemismeer – As –Opglabbeck – Gruidrode – Bree – Bocholt – Kaulille (Kaffepause) – St. Huibsrechts Lille – Achel – Valkenswaard – Eindhoven – Nuenen – Son en Breughel

Uhrzeit: 08:47, Aachen, Roermonder Strasse

Verlasse Aachen in Richtung Maastricht. Erste Wolken erscheinen am Himmel. Dafür ist es nicht mehr ganz so schwül. Was das wohl zu bedeuten hat?

Uhrzeit: 10:27, km 29,67, Maastricht

Zunächst reizvolle Landschaft, gute Radwege, keine Berge mehr, nur noch sanfte Hügel. Die Grenze nach Holland ist gar nicht mehr erkennbar, habe nur noch das Provinzschild „Limburg“ gesehen. Wermutstropfen: Die Sonne ist weg, es regnet leicht.

Die Einsamkeit beflügelt wieder die Gedanken. Habe den (... Gedanken) von gestern weitergesponnen: Konzentration auf das Wesentliche, bewusstes Weglassen, „Bauhausstil“ in allen Lebenslagen, MIS-Management im positiven Sinne (= „Make It Simple“). Erkennen worauf es ankommt. Das isses!

Bei diesen feinsinnigen Gedanken hätte mich fast – ich glaube, es war in oder um Gulpen – ein holländischer Autofahrer aus dem Sattel geholt. Nur der Bruchteil einer Sekunde trennte mich von dem Ende der Tour bzw. der ewigen Glückseligkeit. Soviel also zum Thema „Konzentration auf das Wesentliche...“

Grabesinschrift: Die Konzentration auf das Wesentliche beanspruchte ihn so sehr, dass ihm das Wesentliche selbst so unwesentlich erschien, dass dieses seinem Wesen ein Ende setzte und er nun am Straßenrande verwest...

Uhrzeit: 12:26, km 58,05, As, Flandern (Belgien)

Kurze Mittagsrast am Straßenrand.

Noch einmal zurück zum Thema „Konzentration auf das Wesentliche“: Beim Aufstehen stelle ich fest, dass der Baumstumpf, auf dem ich gesessen habe, voller Harz ist. Der Trend geht zur Zweithose! – Glück gehabt, dass ich die nicht auch noch bei Markus gelassen habe. Sieht nicht gut aus, das Harz direkt auf der Sitzfläche. Vielleicht sollte ich ein Schild aufkleben, dass das Harz ist, damit’s die Leute auch wissen und nicht auf sonst was kommen...

Uhrzeit: 14:45, km 88,46, Kaulille, Belgien

Super Fahrt hierher! – Sonne scheint wieder, aber es ist nicht mehr ganz so heiß, vielleicht noch 22 – 25°. Die Mailbox-Abfrage zeigt mir, dass Moni mittlerweile auf dem Weg in die Toskana ist, an’s Büro geht die Nachricht: „keep on rolling“ (.. hab nämlich diesen Trip zum Anlass genommen, mir endlich ein Handy zuzulegen und bin jetzt fleißig am Üben).

„keep on rolling“, das werd’ ich jetzt auch gleich wieder tun müssen. Mal seh’n, wie weit noch, will mich heute noch vorarbeiten bis auf die Höhe von Eindhoven.

Uhrzeit: 15:47, km 101,23, Grenze Belgien/Holland

Passiere die alte Grenzstation nach Holland (Grensland Makelaars). Sonne scheint, Laune gut. Fühl mich fit, fahr weiter.

Uhrzeit: 18:52, km 144,36, Son en Breugel, Pension Den Heuvel

Pension „Den Neuvel“, Son en Breughel, nördlich von Eindhoven, Endstation für heute (35,00 €). Kurzer Rückblick, bevor ich alles vergesse: Maastricht – Lanaken – Zutendaal – Wiemismeer – As (Mittagspause) – Opglabbeck – Gruidrode – Bree – Bocholt – Kaulille (Kaffepause) – St. Huibsrechts Lille – Achel.

Auf dieser Strecke hatte ich das geilste Erlebnis des heutigen Tages. Ein „Rennfahrer“ überholte mich, ich kämpfte mich in seinen Windschatten vor und es gelang mir tatsächlich, dran zu bleiben. 2 – 3 Kilometer klebte ich so mit Tempo 35 km/h an seinem Hinterrad. Es geht also noch! – Dann siegte allerdings wieder die Vernunft. Wie war das noch? – Konzentration auf das Wesentliche, Reduzierung auf das Notwendige. Hoffe, ich hab’s begriffen.

Erstaunlich ist, wieweit die tatsächlichen von den errechneten Entfernungen voneinander abweichen. Liegt wohl daran, dass die Radwege nicht auf der „Ideallinie“ liegen, sondern „zick-zack“ zur Hauptstraße verlaufen. So ca. 15% sollte man wohl grundsätzlich draufschlagen auf die Kilometerangaben für den „normalen“ Straßenverkehr.

Handy-Check hat funktioniert. Ist aber im Ergebnis so teuer, dass ich mein’s eigentlich gar nicht benutzen kann...

Das einzig wirklich Nervende war heute wieder mal die Suche nach einer Bleibe. Wollte noch Eindhoven hinter mir lassen und dann das erstbeste Hotel/Pension ansteuern. Aber es kam nix. Es wurde später und später und ich müder und müder. In Nuenen (der Stadt van Goghs, wie ich soeben lernte) lernte ich Frau Ende und ihre zwei Kinder kennen, die halfen mir bei der Suche und buchten für mich im „La Sonnerie“ in Son, einem ehemaligen Kloster – zum Freundschaftspreis von € 76,00! Auf dem Weg dorthin fand ich dann zum Glück diese kleine Pension hier, zahl nur die Hälfte und bin trotzdem rundherum zufrieden.

Entsetzt bin ich allerdings über die Handy-Gebühren. Lerne jetzt das SMSen, das ist hoffentlich etwas günstiger.


Donnerstag, 5. August 2000


Gouda

Strecke:

Son en Breugel – St. Oedenrode – Schijndel – St. Michielsgestel – S Hertogenbosch – Vlijmen – Heusden – Wijk en Aalborg – Veen – Andel – Giessen – Woudrichem – Sleeuwijk – Gorinchem – Schoonhofen - Gouda

Uhrzeit: 08:46, km 0,00, Abfahrt Son en Breugel Richtung Küste

Uhrzeit: 10:45, km 34,34, S Hertogenbosch

Habe S Hertogenbosch „gefunden“. War heute eher Pfadfinder als Radfahrer. Will heißen: Die Straßen sind super ausgezeichnet, aber die darfst Du nicht fahren. Du darfst dafür die schön holprigen Buckelpisten – genannt Radwege – benutzen. Und: Dich mit dem Suchen der dazugehörigen Schilder beschäftigen. Ich setze die Suche jetzt fort (bisherige Strecke – ungefähr – Schijndel, von dort Richtung Boxtel, dann aber über St. Michielsgestel, von dort Radweg nach S Hertogenbosch).

Uhrzeit: 12:38, km 53,62, Heusden

Kurze Mittagspause mit Apfelkuchen von ALDI in Vlijmen. Bin froh, die Großstädte S Hertogenbosch und Eindhoven hinter mir gelassen zu haben. Hoffe, die Sucherei hat jetzt ein Ende – oder wird zumindest einfacher.

Uhrzeit: 14:32, km 77,31, Sleeuwijk

Erreiche die Fähre Sleeuwijk – Gorinchem (zumindest deren Anlegestelle, von einem Schiff ist weit und breit nichts zu sehen).

Uhrzeit: 16:12, km 95,34, Schoonhoven

Zweite Bootsfahrt: Fähre Schoonhoven.

Uhrzeit: 18:26,  km 116,56, Gouda

Erreiche Gouda, steige im Hotel „De Utrechte Dom“ in der Cruzenstrasse (?)  ab. Kosten: 55,00 €

Uhrzeit: 19:30, Gouda, Hotel

Fühl’ mich schon wieder fit genug für Gouda, schau mir jetzt die Stadt an und geh’ was Essen.

Uhrzeit: 22:00, Gouda, Hotel

Bin schon wieder zurück. Die Beine sind schwer. Ständig stolpere ich beim Laufen über die eigenen Füße. Dennoch: Draußen ist es jetzt angenehm. Hier drinnen, im Hotelzimmer, ist es kaum zum aushalten. War gestern übrigens auch so. Ich weiß nicht, wo ich mehr geschwitzt habe: Auf dem Fahrrad oder auf dem Zimmer. Fest steht: Auf dem Fahrrad ist das Schwitzen angenehmer.

Gouda selbst gefällt mir sehr gut. Denke als, ich war schon mal hier. Hat große Ähnlichkeit mit anderen typisch holländischen Städten wie z.B. Edam oder auf Deutschem Boden: Greetsiel. Herausragend ist der zentrale Platz mit dem alten Stadthaus und (ein paar Meter weiter) die „Sint Jans Kerk“, in die ich allerdings nicht rein konnte.

Enttäuscht war ich – wie konnte es anders sein – mal wieder vom Essen. Hätte ich doch nur einen alten Gouda und ein Stück Weißbrot gekauft, ich wär’ selig gewesen. Aber, was mach ich? Lass mich von den zauberhaften Restaurants rund um das Stadthaus verführen und bestelle – ausgerechnet bei einem Ägypter (!) - ein Entrecote a’la Sultan. Der echte Sultan hätte vermutlich den Koch erschlagen. Mir fehlen einfach die Worte, wie man hier mit einem Stück Fleisch umgeht. Zumindest waren die Pommes nicht überdurchschnittlich schlecht. Preis: 14,00 €. Dazu allerdings ein herrlicher Blick auf das alte Stadthaus in der Abendsonne.


Gouda, Altes Stadthaus (Quelle: Postkarte)

Mit Telefonieren und anderem Handy-Schnickschnack hab’ ich mich heute sehr zurückgehalten. Die Preise für diesen Quatsch übertreffen meine schlimmsten Befürchtungen. Habe noch ganze 37,56 € auf der Karte – von Sage und Schreibe 70,00 € bei der Abfahrt. Habe keine Ahnung, was „die“ da alles abbuchen. Habe bisher nur probiert und noch gar kein richtiges Telefonat geführt.

Doch noch etwas Erfreuliches: Die letzte Etappe heute, von Vlijmen bis hierher nach Gouda, führte mich durch eine holländische Bilderbuchlandschaft mit Windmühlen, Grachten und saftigen Weiden. Und nachdem ich die Großstädte und deren Einzugsgebiete erst mal passiert hatte, war das Suchen auch nicht mehr ganz so anstrengend.


Freitag, 6. August 2004


Holland...

Strecke:

Gouda – Waddinxveen – Boskoop – Alphen – Leimuiden – Hillegom – Haarlem – Santpoort - Ijmuiden

Uhrzeit: 08:37, km 0,00, Gouda

Aufbruch in Richtung Ijmuiden, sprich „Eimouden“ oder so...

Hab’s versucht, zu lernen, damit ich unterwegs überhaupt fragen kann.

Uhrzeit: 09:31, km 15,42, vor Alphen

Keine Probleme wie gestern, es geht gut voran. Radfahrerhimmel und –hölle wechseln sich ständig ab: Teils Super Radwege, teils Beton- (oder andere alte, buckelige) Platten. Links von mir Wasser (wohl die Gouwe, Kanal oder Fluss ???). Muss weiter, keine Zeit für aufwendige Recherchen.

Uhrzeit: 11:09, km 41,52, vor Haarlem

Pinkelpause ca. 12 km vor Haarlem. Will noch kurz was Essen und Trinken und dann durchstarten.

Uhrzeit: 12:49, km 63,69

Erster Blick aufs Meer und den Hafen von Ijmuiden. Jetzt nur noch das richtige Schiff finden...

Uhrzeit: 13:12, km 68,26

... gefunden! – Jetzt müssen die mich nur noch mitnehmen.

Uhrzeit: 13:25, km 68,26, Ijmuiden

Und sie nehmen mich mit! – Habe gerade für 136,00 € die Fähre nach Newcastle gebucht. Leider keine Einzelkabine bekommen, sondern 4-Bett-Kabine – aber zumindest mit Dusche. Ab 15:00 kann eingecheckt werden. Historischer Moment! – Hab’ gerade die Holland-Karte weggepackt und die von England/Schottland hervorgekramt.

Uhrzeit: 17:25

Endlich an Bord! – Seit drei Uhr durfte ich in der Hitze stehen und warten. War der erste, aber das hat überhaupt nix genutzt. Bin – wie gesagt – in einer 4-Bett-Kabine untergebracht, zusammen mit einem Bayern namens Willi, der nach England unterwegs ist, um von dort einen Oldtimer abzuholen. Der Dritte ist ein Engländer (der sagt aber nix), der vierte Mann fehlt. „Duke of Skandinavia“ nennt sich das Schiff. Geh’ jetzt mal noch oben...

Uhrzeit: Irgendwann später...

Hab’ den Abend zusammen mit Willi in der „Columbus Bar“ verbracht. Gutes Unterhaltungsprogramm, Musik, Showdance und auch was für Kinder. Den anderen Mitbewohner hab’ ich nicht mehr zu Gesicht bekommen, hat die ganze Nacht gepennt.

Hab’ auch noch ein paar andere Radfahrer kennen gelernt, von denen ich allerdings nicht mal die Namen weiß, nur den einen Satz (dessen Bedeutung mir allerdings erst ein paar Tage später bewusst wird): „The Backwheel is the heart of a bycicle“


Samstag, 7. August 2004


Hadrian’s Wall bei Heddon

Strecke:

Newcastle upon Tyne (über Gateshead) – Throckley – Heddon on the Wall – Harlow Hill – Chollerford (falsch abgebogen!) – Wark - Bellingham

Uhrzeit: 08:15 (MEZ), km 0,00, Duke of Skandinavia

Bin noch an Bord der „Duke of Skandinavia“; nähern uns Newcastle, geplante Ankunft: 09:00 engl. Zeit. Stelle die Uhr um eine Stunde zurück und stelle fest: Habe noch knapp 2 Stunden Zeit...

Alle folgenden Zeitangaben erfolgen in britischer Zeit.

Uhrzeit: 11:15, km 15,98, Newcastle upon Tyne

England hat mir eine Stunde geschenkt! Befinde mich in Newcastle, direkt auf der Tyne-Bridge. Endlich weiß ich wieder, wo ich bin, nach all dem Straßenwirrwarr. Brauche unbedingt eine Radwanderkarte für den „Hadrian Cycleway, den ich jetzt fahren will. Meine Nerven wurden heut’ früh schon zusätzlich durch einen einsamen Tunnelgang mit anschließender Lift-Benutzung strapaziert. Wer einmal in so einem Ding stecken geblieben ist, der braucht das nie wieder. Zu allem Überfluss war das noch der falsche Weg.

Beim ersten Post-Office habe ich angehalten, die bereits geschriebenen Karten aufgegeben (noch von Holland) und mir eine englische Telefonkarte für 10 Pfund besorgt. Das Telefonieren scheint sich in diesem Urlaub zu einem größeren Problem zu entwickeln. So, und jetzt geht’s rein in den Großstadt-Dschungel.


Newcastle, Blick auf Tyne-Bridge von Gateshead (Quelle: Internet)

 


Newcastle, City (Quelle: Internet)

Uhrzeit: 11:55, km 17,16, Newcastle, Hauptbahnhof

Newcastle, Hauptbahnhof. Infos eingeholt v. Tourist Office und schnell zwei Sandwiches verputzt. Vorher bereits die ersten Erfahrungen mit verrückt gewordenen Inselaffen in ihren fahrbaren Affenkäfigen gemacht. Nix wie weg!

Übrigens: Von einem Hadrian Cycleway (der bereits beim Verlassen der Fähre ausgeschildert war) wissen die hier überhaupt nix. Interesssant ist, dass ich tatsächlich ein Schild gesehen habe, unmittelbar bei Verlassen der Fähre, danach nichts mehr. Vielleicht habe ich auch bereits die ersten Halluzinationen. Kann das nicht mehr ganz ausschließen bei der verrückten Fahrerei.

Uhrzeit: 12:55, km 28,00, Throckley

Throckley, endlich! – Habe mich leider nicht auf der Ideallinie bewegt, sondern musste wieder mal „Autobahn“ fahr’n (A69), weil ich die kleine Landstraße hierher ganz einfach nicht gefunden habe. Natürlich sind alle Verkehrsschilder hier in England nur auf den Autoverkehr zugeschnitten. Ganz im Gegensatz zu Holland. Dafür ist hier aber das Fahren auf den Dual Carriage Ways für Radfahrer durchaus erlaubt, was in Holland unvorstellbar wäre (nebenbei bemerkt, auch bei uns in Deutschland). Wenn ich nichts übersehen habe, müsste ich mit Newcastle die letzte Großstadt auf dieser Tour hinter mir gelassen haben.

Weiter geht’s jetzt nach Heddon on the Wall, und zwar auf der kleinen Landstraße (B6528 ?) entlang. Und dann – hoffentlich ohne großes Suchen – immer auf der B6318 – Richtung Westküste, immer am Hadrians Wall entlang (... dem römischen „Limes“, der vor gut 2.000 Jahren schon England von Schottland trennte).

Uhrzeit: 13:15, km 30,48, Heddon on the Wall

Kurzer Stopp am „Limes“ bei Heddon on the Wall.

 
Hadrian’s Wall bei Heddon on the Wall (Quelle: Foto F. Ernst)

Hadrian’s Wall – wie er sich im Prospekt präsentiert
und wie ich ihn gerne gesehen hätte...

Uhrzeit: 16:50, km 73,88, Bellingham

Bellingham, Jugendherberge. Strecke war schön, aber auch schön anstrengend. Hatte ganz vergessen, dass es hier auch Berge gibt. Bin mitten in den Pennines, dem geologischen Rückgrat Englands.

Und: Endlich mal akzeptable Preise. 9,50 Pfund muss ich für die eine Nacht berappen. Obwohl, für eine spartanische Jugendherberge ist das ja auch nicht gerade billig.


Jugendherberge in Bellingham (Quelle: Foto F. Ernst)

Nach meiner ersten Freude über den gelungen Tag und die gefundene Bleibe muss ich dann ernüchtern feststellen, dass ich – es muss wohl bei Chollerford gewesen sein – total von der geplanten Route entlang des Hadrian Wall abgekommen bin. Zurück fahr’ ich auf keinen Fall mehr, die Hauptrichtung – Nordwesten – stimmt ja immer noch. Mache nachher einen neuen Plan. Jetzt muss ich erst mal Duschen und dann was Essen.

Apropos Essen: Selbstversorgung ist angesagt – ganz wie früher!


Sonntag, 8. August 2004

 
Schottische Grenze bei Carter Bar 

Strecke:

Bellingham – Rochester – Byrness – Carter Bar (Schottische Grenze) – Chesters – Bonchester Bridge – Hawick – Ashkirk – Selkirk .- “Tweed Valley” - Innerleithen

Uhrzeit: 07:30. km 00,00, Bellingham, Youth Hostel

Schlechter Tag. Stelle beim Fahrrad-Check ersten Speichenbruch am Hinterrad fest – und es ist Sonntag.

Uhrzeit: 08:50, km 11,56

Endlich! – Erreiche Kreuzung zur A68. Fahre Richtung Nordwesten weiter. Nächster Ort: Rochester, 5 Meilen. Es ist kalt und neblig. Habe mehrere 10%-ige Steigungen hinter und hoffentlich nicht vor mir.

Uhrzeit: 09:41, km 20,26, Brigantium/Rochester

Erster Telefonkontakt mit Michael über öffentliche Telefonzelle und –karte bei Rochester; ist bereits mit Simone auf dem Weg nach Loch Lomond. Dachte, die kommen erst nächsten Samstag...

Uhrzeit: 11:11, km 37,24, Schottland

Erreiche nach einer langen, langen Steigung die schottische Grenze bei Carter Bar,  werde mit Dudelsackklängen begrüßt. Bisher schönster Moment der ganzen Tour. Möchte es gerne allen Freunden und Bekannten mitteilen, aber der Akku vom Handy ist leer... 


Schottische Flagge (Quelle: Foto Simone Geier)


Schottisches Empfangskomitee, Carter Bar (Quelle: Foto F. Ernst)

Uhrzeit: 12:55, km 62,26, Hawick

Kurze Verschnaufpause in einem kleinen Lädchen in Hawick (hatte zuvor die Variante über die B6088 gewählt). Berge, Berge, nichts als Berge – und der Besitzer des kleinen Lädchens sagte mir gerade, das geht munter so weiter.

Uhrzeit: 15:12 km 92,23

Letzte Verschnaufpause am Straßenrand. Noch ca. 1 Stunde will ich fahren - wenn’s geht, noch nach Peebles. Bin im Tweed Valley angekommen, befinde mich auf der A72 (?). Sieht jetzt nicht mehr ganz so wild aus.

Uhrzeit: 16:20 km 104,57, Innerleithen, Tweed Valley, Schottland

Bin im St. Ronans Hotel (Pub mit Beergarden und B&B) für 35,00 € abgestiegen.

Uhrzeit: 19:15,57, Innerleithen, St. Ronans Hotel

Bin wieder im Pub, hab’ mir gerade eine Haddock bestellt. Mein Handy lädt sich gerade am Stecker für die Rasierapparate auf. Scheint zu funktionieren. Wer weiß, vielleicht verwandelt es sicht über Nacht in einen Rasierapparat. Moni konnte ich nicht erreichen, hab’ gerade ein paar Grußworte auf Band gesprochen. Mal abgesehen davon, dass ich mir wohl einige Handy-Geheimnisse erst noch erarbeiten muss, ist das wohl mit den elektrischen Geräten in England – Entschuldigung: Schottland – noch immer so eine besondere Sache.

Das fängt schon damit an, dass man es in der Regel mit diesen dreipoligen Steckern zu tun hat (.... hatte das ganz vergessen und keinen entsprechenden Adapter mitgenommen) und hört damit auf, dass in jeder Dusche eine individuelle Bedienungsanleitung angebracht ist, die genau besagt, welches Hebelchen man in welcher Reihenfolge in welcher Richtung zu bedienen hat. Wenn man dann auch seine Brille dabei hat und alles ordentlich liest und befolgt, kann man dann in der Regel auch Duschen. Manchmal sogar warm. Heute habe ich das mal wieder nicht geschafft. Aber mein Stolz verbot es mir, das Geheimnis der Dusche durch Nachfragen zu ergründen. Es hat mir schon gereicht, dass ich den Trick mit dem Handy und dem Stecker für den Rasierapparat erfragen musste.

Positiv ist zu verzeichnen, dass ich noch mal Kontakt mit Michi aufnehmen konnte. Sind mittlerweile auf dem Campingplatz von Loch Lomond (nördlich von Glasgow) angekommen, also gar nicht mehr weit weg. Beste Ausgangssituation für ein Treffen.

Will sehen, dass ich mich morgen zur Küste vorarbeiten kann, will aber vorher noch mein Fahrrad reparieren lassen. Jetzt muss ich mal auf die Karte schauen, wie ich am schnellsten an meinen Zielort Ardrossan komme!

In Innerleithen zu bleiben, war übrigens eine gute Idee. Fühl’ mich hier richtig wohl. Und: Im Gegensatz zu früheren Touren hat diesmal sogar das Wetter gehalten. Alle stöhnen hier über die Hitze – dabei ist es richtig „frisch“ gegenüber zu Hause.


Montag, 9. August 2004


Fahrradwerksatt in Innerleithen

Strecke:

Innerleithen – Peebles – Blyth Bridge – Biggar - Lanark - Auchenheath - Kirkmuirhill - Strathaven

Uhrzeit: 07:50, km 00,00, Innerleithen, St. Ronans Hotel

Wollte vor dem Frühstück noch schnell zur Bank, bin aber nicht aus dem Haus gekommen: Es gießt in Strömen.

Uhrzeit: 08:45, km 00,00, Innerleithen

Probikesport Ltd – so heißt der Fahrrad-Laden hier in Innerleithen, in dem ich jetzt gelandet bin. Es ist kurz vor Neun, um 9:00 soll der Mechaniker kommen. Mal sehen.

Das Hinterrad hat gestern zwar trotz gebrochener Speiche gehalten, aber der Achter ist zwischenzeitlich unübersehbar und das Hinterrad schleift schon an den Bremsbacken.


Werkstattaufenthalt, Innerleithen (Quelle: Foto F. Ernst)

Das Geldabheben mit der Scheckkarte hat problemlos funktioniert; habe noch mal 250,00 Pfund bei der Bank of Scotland abgehoben.

Der Regen hat wieder aufgehört. Alles wird gut. Bloß nicht die Nerven verlieren. Ist schon ein komisches Gefühl, ohne einen Penny Bargeld mit einem kaputten Fahrrad bei strömendem Regen irgendwo in Schottland fest zu hängen. Geld ist wieder im Säckel, der Regen vorbei, jetzt muss nur noch jemand mein Fahrrad reparieren.

Beim Hinsetzen bricht erst mal der Besucherstuhl unter mir zusammen, liege wie ein Maikäfer auf dem Rücken im Fahrrad-Laden. Wenn das mal kein schlechtes Omen ist.

Uhrzeit: 12:03, km 25,5, Blyth Bridge

Weder der Fahrrad-Land in Innerleithen, noch der in Peebles konnten mir helfen, haben den passenden Abzieher für den Block nicht zur Hand. Haben mir nur den Achter ein wenig rausziehen können, so ist das Rad zumindest wieder fahrbereit. Hoffentlich hält das Hinterrad.

Kleine Episoden am Strassenrand: In Peebles machte ich eine weitere Erfahrung mit fremdländischen Türverschluss-Varianten. Als ich wieder aus der Toilette raus wollte, öffnete ich den deutlich sichtbaren Schieberiegel und dachte, ich könnte nun raus. Weit gefehlt. Die Tür lies sich nicht öffnen. Rütteln half nix. Kurz bevor ich mich zum Eintreten der Tür entschloss, kam ich dann doch noch drauf, dass der Türknopf sich drehen ließ...

Kurz hinter Peebles fällt mir dann beim Schalten die Kette runter und gerät zu allem Überfluss noch aus der Führung der Gangschaltung. Nachdem ich’s wieder in Ordnung gebracht habe, sehe ich jetzt aus wie ein Schwein. Waschen kann ich mich notdürftig in einer Pfütze am Straßenrand. Wasser gibt es jetzt genug: Es regnet wieder. Ich liebe Schottland.

Uhrzeit: 13:12, km 37,13, Biggar

Regen schlimmer geworden, habe Schutz in einer Bushaltestelle gefunden und mir den Gummianzug übergezogen. In der Bäckerei gegenüber habe ich mir ein paar Süßigkeiten geholt, die verputz ich jetzt hier.

Uhrzeit: 14:17, km 57,29

Erreiche Kreugung A73 / A70 (die in südwestlicher Richtung nach Ayr führt), biege (in umgekehrter Richtung) rechts ab Richtung Lanark.

Uhrzeit: 17:45, km 97,57, Strathaven

Erreiche Strathaven (südl. Glasgow), steige für 30,00 Pfund im Springvale Hotel ab. Spaßfaktor hat sehr gelitten. Voller Regentag. Auch die dritte Werkstatt (das war dann wohl in Lanark) konnte den Schaden nicht beheben. Keiner hat den passenden Abzieher für den Block.

Uhrzeit: 18:40, Strathaven, Springvale Hotel

Gerade mit Michi telefoniert, packen das Zelt ein und kommen ebenfalls hierher, Zimmer sind noch frei.

Uhrzeit: 18:55, Strathaven, Springvale Hotel

Kurzer Tagesrückblick: Start in Innerleithen. Zeitverlust wegen versuchter Fahrrad-Reparatur. Hat nix gebracht. Glaube, dass ich erst so gegen 11:00 Uhr wegkam. Im Fahrradladen Stuhl zerbrochen (habe ich zugenommen?). Bleibe zunächst im Tweed Valley, fahre über Peebles. Dort zweiter Versuch wg. Fahrrad-Reparatur. Wieder negativ. Nächste Station: Blythe Bridge. Ab Biggar fahre ich mit Gummi-Anzug. Habe mich in einer Bus-Wartehalle umgezogen und mich vorher im Café mir zwei Stückchen versorgt, sozusagen Mittagspause.

Die von mir gestern Abend geplante Fahrroute konnte ich nicht ganz einhalten. Die kleine Abzweigung in bzw. hinter Blyth Bridge nach Elsrickle, Newbigging, Carnwath (auf meiner gedachten Ideallinie Richtung Westen = Küste) habe ich leider verpasst; nur deshalb bin ich überhaupt nach Biggar gekommen, was gar nicht auf meiner Route lag. Ab jetzt schau ich wieder an jeder Kreuzung auf die Karte, die sich allerdings langsam im Wasser auflöst. Die Gegend südlich von Glasgow und Edinburgh wird mehr und mehr zu einem weißen Fleck auf der Landkarte.

Bald finde ich die Abzweigung nach Lanark. Zurück auf meiner geplanten Route starte ich in Lanark den dritten Versuch, meine gebrochene Speiche am Hinterrad ersetzen zu lassen. Wieder nix. Alle sind freundlich und hilfsbereit, aber erreichen tun sie nichts. Es ist wie verhext. Zum Glück sind keine weiteren Speichen gebrochen, das Rad scheint noch halbwegs stabil zu sein und der Achter ist auch nicht wieder schlimmer geworden. Fahren kann ich also noch, wenngleich auch mit gemischten Gefühlen.

Hinter Lanark heißt es wieder „Suchen“. Strathaven ist nicht direkt ausgeschildert, muss mich über ganz kleine Dörfchen langsam vorantasten. In Auchenheath bin ich völlig fertig, hab’ den Namen noch nie gehört; denke, ich hab’ mich wieder verfahren. Auf meiner aufgeweichten Strassenkarte ist dieser Name nirgendwo zu finden. Ich steige ab und krame meine letzte trockene Spezial Karte „Western an Central Scotland“ hervor. Und siehe da: Ich bin absolut richtig. Gleich hinter Auchenheath liegt Kirkmuirhill – und von dort aus dürfte es kein Problem mehr sein, nach Strathaven zu kommen. Das sollte dann für heute reichen.

In Strathaven geht die Sucherein nach einer Bleibe wieder los. Beim ersten einladenden B&B-Schild macht keiner auf, aber im Ort selbst finde ich ein Reisebüro. Allerdings erfahre ich dann dort, dass ich zwar eine Mallorca Reise buchen könne, aber kein Hotel am Ort. Ich verliere kurzfristig ein wenig die Kontenance, weil ich plötzlich meine Brille nicht mehr finde. Ohne die bin ich restlos aufgeschmissen, weil ich weder Karte noch sonst was mehr lesen kann.

Beim Suchen nach der Ersatzbrille fiel sie mir dann zufällig in die Hände, ich hatte sie beim letzten Stop im Regen versehentlich in eine andere der zahlreichen Taschen gesteckt.

Dafür taucht ein neues Problem auf: Alles, was ich in Papierform in meinen Satteltaschen mit mir rumschleppe, beginnt sich langsam aufzulösen: Die Papiertasche mit den Karten, Schreibutensilien etc. hat plötzlich keinen Boden mehr und der gesamte Inhalt liegt vor mir im Regen auf der Straße.

Der freundliche Herr vom Reisebüro hilft mir mit ein paar Plastiktaschen weiter und – was noch wichtiger ist: mit einer Hotelempfehlung und Wegbeschreibung dorthin. Man lernt wieder, sich über solche netten Gesten richtig zu freuen. Die empfehlung war gut, so bin ich schließlich hier im Springvale Hotel gelandet. Michi und Simone scheinen auch vor dem Regen zu flüchten. Mal schauen, wann sie hier eintreffen.

Uhrzeit: 20:45, Strathaven, Springvale Hotel

Michi und Simone sind eingetroffen, wir gehen jetzt was Essen.

Uhrzeit: 00:20, Strathaven, Springvale Hotel

Bin zurück im Hotel. War ein rundum schöner Abend; erst gemeinsames Essen beim „Inder“, dann ein Bierchen im nächsten Pub und anschließend noch in der gemütlichen Hotel-Lounche mit D.J. David geplaudert. Einziger Wermutstropfen: Von draußen prasselt unablässig der Regen gegen das Fenster.

 
Michi & Simone nach Eintreffen in Schottland (Quelle: Foto Simone Geier)


 Dienstag, 10. August 2004


Isle of Bute

Strathaven, Springvale Hotel

Ruhetag! – Haben heute früh beschlossen, einen Tag zu bleiben; hat auch prompt geklappt mit den beiden Zimmern. Unser Plan war, Arran anzusteuern (Michi & Simone haben einen Leihwagen dabei). Aber: Die Fähre fuhr erst wieder um 15:00 Uhr und war ausgebucht. Einzige Chance: „Stand by“ und hoffen, dass einer nicht kommt. War natürlich Käse, haben wir nicht gemacht.

Sind stattdessen die Küste in Richtung Nordwesten entlang gefahren und schließlich von Skelmorlie nach Rothesay auf die Insel Bute übergesetzt. War nicht sonderlich attraktiv, was aber vielleicht auch bloß wieder am unaufhörlichen Regen gelegen hat. Dieser ist selbst für schottische Verhältnisse außergewöhnlich. Aus Presse und Rundfunk erfahren wir, dass es sich um den Ausläufer eines tropischen Wirbelsturmes handelt, der sich hier „ausregnet“. Was für ein Glück aber auch, so etwas mal erleben zu dürfen!

Die einzig wirkliche Sehenswürdigkeit auf dem Eiland, das Castle Rothesay , haben wir erst gefunden, als wir schon wieder vor der Fähre standen und eigentlich zurückwollten. Einziges Highlight war der Besuch eines alten Friedhofs mit der Ruine einer Kapelle in einer kurzen Regenpause.


Friedhof auf Bute (Quelle: Foto Simone Geier)

 

 
Simone & Michi, Bute (Quelle Foto Simone Geier)

22:15, Strathaven, Springvale Hotel

Letzter gemeinsamer Abend mit Michi uns Simone. Waren im Waterside Inn (.. oder so ähnlich) hier in Strathaven. Gut gegessen. Ersten Haggis. Ist weitaus besser als sein Ruf, nur wieder mal viel zu üppig, viel zu fett. Erinnert mich ein wenig an unsere gute deutsche Schlachtplatte mit Kartoffelbrei, Leber und Blutwurst – wobei letztere im Haggis eine gemeinsame Heimat zu finden scheinen. Soll allerdings alles vom Schaf stammen, nicht vom Schwein. Wie gesagt, alles gemixt, gut gewürzt und für Leute ohne Schneidezahn kaufreundlich zubereitet.

Nach dem Essen waren wir noch zusammen hier auf dem lokalen Castle (von dem wir vorher gar nicht wussten, dass es existiert).

      
Strathaven Castle (Quelle: Internet)                     Whisky & Haggis (Quelle: Internet)

Morgen früh trennen sich unsere Wege leider schon wieder. Michi & Simone machen die weitere Planung vom Wetter abhängig. Mich zieht es zur Küste hin. Durch ein Telefonat mit der Heimat erfahre ich, dass dort heute noch einmal hochsommerliches Wetter mit Temperaturen von über 30° geherrscht haben soll! – Bei Markus in Aachen ist die Regenfront allerdings bereits eingetroffen.


Blick von Bute auf Arran (Quelle: Internet)


Mittwoch, 11. August 2004


Arran; Küstenstraße

Strecke

Strathaven – Kilmarnock – Ardrossan – Brodick (Arran) – Corrie – Sannox – Lochranza – Cloanaig (Kintyre) – Kennacraig – Rhu House (Kintyre)

08:05, Strathaven, Springvale Hotel

Bin am Packen. Es geht weiter Richtung Küste. Tagesmotto: “Pain in the rain and a buckled backwheel..”

The backwheel is the heart of a bike!” – Der Satz stammt von einem Radfahrer, aufgeschnappt auf der Fähre von Ijmuiden nach Newcastle. Damals schien er mit belanglos, seit Bellingham geht er mir nicht mehr aus dem Kopf. Ich habe ja schon einige Touren hinter mir, aber so viel Regen und so viele erfolglose Versuche, mein Rad repariert zu bekommen hatte ich bisher auf noch keiner anderen Tour.

 
Strathaven, Aufbruch (Quelle: Foto Simone Geier)

 Aber: Aufgegeben wird nicht. Jetzt fahren wir erst mal los in Richtung Ardrossan und dann „schaun mer mal...“

11:30, km 58,72, Ardrossan

Erreiche Fähre nach Arran in Ardrossan. Hat alles gut geklappt, war aber ein wahrer Höllenritt. Fahre zunächst die A71 bis Kilmarnock. Eng, stark frequentiert. Pausenlos brausen LKWs an mir vorbei, hab’ Angst um mein bisschen Leben. Aber es gibt auch erfreuliches zu berichten: Ich kann die Gummikluft erst mal wieder ablegen. Sieht zwar nach Regen aus, bleibt aber zunächst mal trocken. Und: Es geht permanent leicht bergab.

Kurz vor Kilmarnock muss ich an meinen gestrigen Eintrag in den Routen-Plan denken: Achtung, Autobahn! Sobald ich dann aber das erste Hinweisschild nach Irvine / Adrossan mit dem Icon der Arran-Fähre erblicke, ist mir – mir Verlaub gesagt – alles sch...-egal. Hab’ nicht mehr die geringste Lust, mit der Nase an der Landkarte irgendwelche kleinen Nebenstrecken zu suchen, die nirgendwo vernünftig  ausgeschildert sind (ist wohl ähnlich wie bei uns: Nebenstrecken werden regelrecht geheim gehalten, damit der Durchgangsverkehr im Falle eines Staus nicht motiviert wird, dorthin auszuweichen). Ich folge von nun an den Hinweisschildern zur Fähre und gelange prompt auf die A71, später dann auf die A78. Es handelt sich hierbei um keine Autobahnen im eigentlichen Sinne, sondern um „Dual Carriage Ways“, also autobahnähnlich ausgebaute Verbindungsstraßen mit teilweise sogar 6 Spuren. In Großbritannien ist das Radfahren tatsächlich nur auf den „richtigen“ Autobahnen, den „Motorways“ verboten. Hab’ mich extra erkundigt. Gelegentlich (aber wirklich nur ganz selten) seh’ ich auch einen Kollegen entgegenkommen. Das gibt mir dann wieder die Gewissheit, dass ich nicht verrückt bin. Auch die Autofahrer scheinen an diesen Anblick gewöhnt zu sein. Im Gegensatz zu Holland (wo ich das ein mal probierte), bleibt hier das Hupkonzert aus.

Ich tret’ in die Pedale, was das Zeug hergibt, teilweise fahre ich über 40 km/h. Will endlich meinen Arsch in Sicherheit bringen. Mit Spaß hat das schon lange nix mehr zu tun. Die Standspur, auf der ich entlang turne, ist nicht mal halb so breit, wie auf einer „richtigen“ Autobahn, aber die Autos fahren dennoch mit über 100 km/h an mir vorbei. Besonders an den Ein- und Ausfahrten ist das dann wenig schön, weil der Verkehr dann links und rechts vorbeirauscht. Dann bloß nicht wackeln, am besten gar nicht hinschauen. Blick frei zum Horizont und auf Gott und die Fahrkünste der Erdenbürger vertrauen.

Irgendwann hab’ ich’s dann geschafft, erreiche das Fähr-Terminal in Ardrossan und buche die kompletten Hin- und Rückfahrten bis nach Islay. Theoretisch könnte ich es sogar heute noch bis zu meinem gedachten Endziel, der Brennerei von Laphroaig schaffen, hab’ aber leider mal wieder kein Quartier gebucht. Und das kann da draußen ganz schön unangenehm werden. Wie war das noch? – Schaun mer mal. Immer schön eins nach dem anderen.

Übrigens: Die drei Fähren bis Islay– hin und zurück also sechs Fahrten – kosten mich insgesamt nicht mal ganze 30,00 Pfund. Gestern mit dem Auto hätte eine Fähre alleine über 100,00 Pfund gekostet. Grund genug, es einmal mit dem Fahrrad zu probieren.

12:30, Fähre Ardrossan – Brodick (Arran)

Fähre setzt sich pünktlich in Bewegung. Sitze mit Kaffee und Kuchen erst mal im Trocknen und Warmen, kann mich gemütlich über das Wasser schaukeln lassen.

18:50, Rhu-House, Kennacraig (Kintyre)

Musste erst wieder durch’s Tal der Tränen gehen, um letztendlich doch ins Paradies zu kommen. Bin vor ca. ½ Stunde hier im Rhu-House angekommen. Alles weitere später. Ich stinke.

19:00, Rhu-House, Kennacraig (Kintyre)

So, jetzt stinke ich nicht mehr ganz so entsetzlich. Esse jetzt erst mal meinen alten Chester-Käse auf. Zum Glück hab’ ich ihn nicht weggeschmissen. Hier gibt es erst morgen früh wieder was zum Essen. Bed and Breakfast eben, sonst nix. Und das nächste Städtchen – Tabert – liegt immerhin mehr als 3 Meilen von hier entfernt. Mahlzeit. Ich fahr’ heute freiwillig keinen einzigen Meter mehr.

19:25, Rhu-House, Kennacraig (Kintyre)

Kurzer Tagesrückblick, so lange die Erinnerungen noch frisch sind. Um es vorweg zu nehmen: Es wäre ein Riesenfehler gewesen, die Tour an der Küste abzubrechen und die Inseln auszulassen. Was ich alleine auf den paar Kilometern bisher gesehen habe, macht die zusätzlichen Strapazen und Nervenbelastungen allemal schon wieder wett.

Die Stunde auf der Fähre nach Arran verging wie im Flug. War gerade am Postkartenschreiben, da legten wir bereits in Brodick an. Ich entschloss mich für die „rechte“, weil auf der Karte kürzeren Route zur nächsten Fähre, der Fähre von Lochranza, Arran nach Cloanaig auf Kintrye. Die ersten Kilometer führten auf ebener Strecke der Ostküste von Arran entlang, unmittelbar am Meer mit fast ständigem Ausblick auf selbiges. Von Regen keine Spur mehr, es war ausgesprochen angenehm zu Fahren.

Diese paradiesischen Zustände dauerten aber nicht lange. In der Sannox Bay biegt die Straße nach links ab, von der Küste weg, direkt ins Gebirge. Pünktlich zu dieser kleinen Sondereinlage kehrt auch der Regen wieder zurück. Kein kleiner Schauer, sondern wieder dicker, fetter Regen. Einer von der Sorte, bei dem sich Blasen auf der Straße bilden und bei dem Dir das Gefühl sagt: Der ist in fünf Minuten nicht vorbei. Und, was auf der Karte so gar nicht zu sehen war: Zwischen Sannox und Lochranza liegt ein Berg, den ich nie vergessen werde.

Beim Aufstieg störte der Regen wenig. Egal, ob man vom Schwitzen oder vom Regen nass wird: Nass ist nass. Auf der Strecke ist es ist einsam und still – aber überall hört man Wasser gurgeln. Rundherum ist alles grün. Eigentlich phantastisch, aber spätestens bei der Abfahrt wird’s dann ungemütlich kalt. Ich ziehe mir mein Gummizeug über, aber das hält nur ein bisschen den Wind ab. Nass bleibt eben nass. Nach einer abenteuerlichen Abfahrt (die mich reichlich Bremsgummi kostet) gelange ich nach Lochranza.

Der Landkarte nach hatte ich eigentlich ein kleines Städtchen erwartet, finde aber nur ein paar Häuser vor. An der Anlegestelle der Fähre ist nicht mal ein Wartesaal oder ähnliches zu sehen. Ich steh’ im strömenden Regen in der Gegend rum und friere wie ein Schneider. Bin allein auf weiter Flur, keine Menschenseele weit und breit. Wenn ich den Plan richtig lese, kommt die nächste Fähre in ca. ¾ Stunden.

Das halt’ ich so nicht aus. Beschließe für mich, in Lochranza zu bleiben. Ist ja eh schon 15:00 Uhr durch und langsam an der Zeit, eine Bleibe zu suchen. „Suchen“ – das wird das Stichwort für die nächsten Stunden. Mit klappernden Zähnen und schlotternden Knien laufe ich die paar B&B’s und das einzige Hotel von Lochranza ab. Nix zu machen, alles ausgebucht. Nicht mal die Jugendherberge nimmt mich auf (eigentlich eine Unverschämtheit bei einem solchen Sauwetter, mir hätte ein Sessel im Aufenthaltsraum für die Nacht gereicht).

Also geht’s weiter. Um 15:45 kommt die nächste Fähre und ich fahre mit nach Cloanaig auf Kintyre. Dort ist es aber noch einsamer. Nichts, aber auch gar nichts, was nach einer Ortschaft aussieht, ist bei der Ankunft zu sehen. Der nächste „wirkliche“ Ort ist auf der anderen Seite der Halbinsel und nennt sich Tabert . Die Fähre nach Islay geht dort ganz in der Nähe ab, liegt also praktisch auf meiner Strecke. Also: Auf nach Tabert.

Weiter geht es, immer auf und ab. Ein Verkehrsschild sagt ein Gefälle von 14% an. Ach so: das „Schlottern“! Auf der Fähre hatte ich endlich Gelegenheit, einen trockenen Pulli herauszukramen und mich umzuziehen. Das Problem wäre damit erst mal gelöst. Das Spiel kann ich aber nicht mehr so oft wiederholen, langsam ist alles nass, was ich bei mir habe. Erfreulicherweise hört auf See sogar der Regen wieder auf und ich kann Kintyre relativ trocken überqueren.

Die ca. 10 km durch die Halbinsel habe ich bald hinter mir und ich erreiche die Islay-Ferry bei Kennacraig. Versuche telefonisch, in Islay noch ein Zimmer zu bekommen. Könnte theoretisch mit der 18:00 Uhr Fähre übersetzen und wäre damit praktisch heute noch am Ziel. Aber es wird nix draus. Ganz Islay ist ausgebucht. Erhalte die Empfehlung, es bei der Jugendherberge zu probieren. Selbst wenn das klappen würde: die wäre dann noch mal ca. 20 km weit weg vom Fährhafen. Kein Bock, so nicht. Beschließe, für heute auf Kintyre zu bleiben und steuere den nächsten Ort - Tabert – an. Glücklicherweise finde ich bei Rhu besagtes B&B und werde endlich aufgenommen.

Mir gefällt’s hier ausgezeichnet. Beschließe, auch morgen noch zu bleiben und Islay als „Tagesausflug“ mitzunehmen. Nochmal so ein Theater, das wäre denn doch des Guten zu viel. Schade nur, dass die Spontanität mal wieder auf der Stecke bleiben muss. Man kann es eigentlich gar nicht mehr verantworten, so auf’s Geradewohl los zu fahren. Alles will geplant sein. Sei’s drum. Diesmal hat’s ja wieder hingehauen.

Mull of Kintyre – der Song hat jetzt eine ganz andere Bedeutung für mich, war gerade dort, unten am Strand, es sind nur ein paar Meter. Unglaublich schön. Hier komm’ ich wieder hin.

Übrigens: Selbst die Cigarillos in der Blechdose sind nass...


Donnerstag, 12. August 2004

 
Rhu-House, Kintyre

Strecke

Rhu-House (Kintyre) - Kennacraig - Port Ellen (Islay) - Laphroaig Distillery - Port Ellen - Kennacraig - Rhu-House (Kintyre)

Schon vor 6:00 Uhr früh heißt es aufstehen. Wir wollen die 7-Uhr-Fähre von Kennacraig nach Port Ellen auf Islay erwischen. Wir, das sind die beiden Schweden Lars-Eric, Eric und ich. Haben uns hier im Rhu-House kennen gelernt. Insbesondere Eric ist ausgesprochener Malt-Whisky-Fan, kennt alle Sorten und hat schon fast jede Destille von innen gesehen.

Nach ca. 2 ½ Stunden legt die Fähre in Port Ellen an. Für Leute, die Sight-Seeing mögen, ist alleine diese Überfahrt ein Erlebnis. Ich bin mittlerweile schon ein bisschen landschaftsmüde, nehm’ das nach all’ den Bergen und Tälern der vergangenen Tage gar nicht mehr so richtig wahr.

Von Port Ellen aus sind es nur noch wenige Kilometer bis zur Laphroaig-Distillery. Gleich drei bekannte Whisky-Brennereien liegen an der Südostküste von Islay, wie an einer Perlenkette entlang der Küstenstraße aufgereiht: Laphroaig, Lagavulin und Ardbeg. Für’s erste reicht mir aber mal die Besichtigung einer Brennerei: Laphroaig, Ursprung und Ziel dieser Schnapsideen-Tour. Es dauert nicht lange, da hab’ ich schon den für Islay typischen Malz-Duft in der Nase, der mir noch einmal klar werden lässt: Du bist am Ziel, bzw. unmittelbar davor.

Das lässt alle Strapazen vergessen und die Euphorie in mir aufkeimen. So etwas kann gefährlich werden. Unmittelbar an der Einfahrt zur Distillery hätt’ ich fast noch ein entgegenkommendes Auto übersehen. Jetzt bin ich da.

10:30 ist ein Führung angesagt. Bin mit meinem Radl der Erste. Kurz darauf treffen auch die beiden Schweden und einige weitere Interessenten ein. Das Anwesen hier alleine ist für Schottland- und Whisky-Fans schon ein Traum. Wir sitzen in einer riesigen Loggia in gemütlichen, dicken Clubsesseln oder an der bar, schmökern in Unterlagen, Büchern und sonstigen Utensilien, die natürlich alle etwas mit Whisky zu tun haben.

Während ich noch damit beschäftigt bin, mich so richtig über das Erreichen meines Ziels zu freuen, dringen plötzlich wieder altbekannte Geräusche an mein Ohr. Ich denk’ noch: „Lieber Gott, lass es ein Bach sein, der da draußen vorbeirauscht!“ Aber nein, kein Bach. Der Regen hat mich schon wieder eingeholt – und zwar in der bereits bekannten, heftigen Form. Bin noch im Warmen und Trockenen, aber mir graust es jetzt schon vor der Zeit nach der Führung.

Unser Guide heißt Jack und er macht seine Sache gut. Nur kann ich seinen Ausführungen leider nicht immer folgen. Die Einzelheiten der Whisky-Herstellung will ich auch hier gar nicht wiedergeben, da gibt’s genügend Fachbücher. Interessant ist, dass Laphroaig diese Führung völlig kostenlos anbietet; nur die anschließende Probe kostet 10,00 Pfund. Mir hat das obligatorische Gratis-Glas gereicht, für das komplette Programm war es mir noch zu früh.

                  
Der "Schuldige"...                                    Laphroaig Distillery (Quelle: Helen Arthur, Single Malt Whisky)

Das Treffendste an der Führung war Jack’s Spruch bezüglich der Wetterprognose: „If you can see the coast of Ireland, it will rain soon. If you don’t see it, rain has already started.” Dem ist nichts hinzuzufügen. Er erklärte auch noch einmal, dass Laphroaig der einzige Whisky war, den man zur Prohibition-Zeit in Amerika kaufen konnte, weil er als Arznei galt. Das hab’ ich allerdings schon vorher gewusst, wahrscheinlich hab’ ich’s deswegen auch verstanden.

Als Souvenir nehm’ ich mir ein Poloshirt mit Laphroaig-Aufdruck mit, dann geht’s schon wieder rauf auf die Landstraße. Es ist wirklich ein Jammer, dass der Regen jetzt alles verderben muss. Es ist gerade mal 12:00 Uhr, die nächste Fähre geht um 18:00 Uhr und ich bin bereits von den wenigen Metern Fußweg zurück zur Straße nass bis auf die Haut.

Beschließe, zunächst mal was Gescheites zu Essen – was sich aber als gar nicht so einfach herausstellt: Der einzige Pub im Ort hat nix zu Essen und schickt mich zum „Inder“. Der Inder hat zu. Das einzige Hotel im Ort hat zwar auf, zu Essen gibt’s aber erst was ab 18:00 Uhr. Das kann doch alles nicht wahr sein. Ich hole mir im einzigen (... zum Glück auch geöffneten) Lebensmittelladen zwei Brötchen, Wurst und Käse und setz’ mich in das Wartehäuschen am Fährhafen. Es ist jetzt etwa 13:00 Uhr. Das heißt, ich habe etwa 5 Stunden Zeit, um meine Brötchen samt Wurst und Käse zu verzehren.

Das wäre ja alles noch okay, wenn das mit dem Wetter nicht wäre. Wenn ich dieses ständige Frieren ohne Krankheit überstehe, mach’ ich drei Kreuze! – Habe ständig nasse, kalte Füße, denn ich hab’ ja nur meine Turnschuhe dabei (die Ersatzschuhe sind ja bekanntermaßen bei Markus in Aachen – aber die wären jetzt wahrscheinlich auch schon nass). Bei diesem Wetter wird auch nichts mehr trocken.

Schon bald wird mir langweilig und ich mach’ mich rüber in den Pub. Aber schon Mittags im Pub rumhängen, das ist auch nicht das Wahre. Was soll’s. Der Regen lässt mir keine andere Wahl. Mit Guinnes, Bunnahavain (dem Whisky der Woche) und meinen Cigarillos halte ich es durch bis ca. 15:00 Uhr. Ein paar Schotten hängen auch da rum, quasseln ständig vor sich hin. Aber, offen gestanden, in den zwei langen Stunden, in denen ich dabeistehe, verstehe ich keine zehn Worte.

Bald ist mir das zu blöd und ich wechsle wieder in die Wartehalle, döse und friere so vor mich hin. Dumm gelaufen: Den ersten Ausflug ganz ohne Gepäck hatte ich mir ein wenig anders vorgestellt. Die letzen trockenen Sachen befinden sich in meiner Unterkunft im Rhu-House auf Kintyre. Hätte heute eigentlich der schönste Tag sein können (und sollen). Bin am Ziel meiner Reise – und das trotz lädiertem Fahrrad weitaus früher als geplant. Hätte, hätte, hätte. Jetzt sitz’ ich hier im Regen rum und warte auf die Fähre. Alles andere wäre Blödsinn. Der Regen hört und hört nicht auf.

Um 17:30 darf ich endlich auf die Fähre und damit auch ins Warme. Auch meine beiden Schweden treffen wieder ein und wir haben eine angenehme, unterhaltsame Überfahrt zurück nach Kintyre. Wenigstens das noch.

Wie ich erfahre, waren die beiden noch ein wenig mit dem Bus auf Islay unterwegs. Besonders aufregend muss das aber auch nicht gewesen sein. Jetzt sind wir wieder hier im Rhu-House, unserer gemeinsamen Unterkunft. Die beiden fahren morgen in Richtung Norden weiter. Für mich beginnt zu diesem Zeitpunkt ein neues Kapitel: Die Heimreise.


Freitag, 13. August 2004


Arran, Westcoast

Strecke

Rhu-House, Kennacraig (Kintyre)  - Claonaig - Lochranza  (Arran)  - Catacol - Pirnmill - Dougarie - Machrie Bay - Brodick - Ardrossan - Saltcoats - Irvine -  Prestwick Airport

 09:20, Rhu-House, Kennacraig (Kintyre)

Aufbruch mit Ziel Prestwick Airport. Wieder viel zu viel geschwätzt. Wollte um diese Zeit eigentlich schon längst auf der Straße sein. Trotzdem große Freude: Es regnet gerade mal nicht. Kann ganz entspannt packen und ab und zu die kleine Katze streicheln, mit der ich mich in den vergangenen zwei Tagen ein wenig angefreundet hatte.

10:30, km 11,7, Cloanaig (Kintyre)

Kann mal wieder für einen Augenblick die Sonne genießen und ermessen, was ich durch das permanente Scheißwetter hier eigentlich versäume: Ich stehe an der Anlagestelle der Arran-Fähre bei Cloanaig auf Kintyre. Wie ein gewaltiges Gebirgsmassiv liegt die Insel Arran vor mir, nur durch den Kilbrennan Sound von mir getrennt. Das macht mich nicht gerade glücklich, denn da muss ich noch mittendurch. Habe gerade ca. 10 km Bergetappe hinter mir mit Steigungen und Gefällstrecken von ausgewiesenen 14 %. Trotzdem: Wenn die Sonne scheint, kann das sogar Spaß machen. Habe mir in den vergangenen Tagen soviel Kondition antrainiert, dass ich auch diese Steigungen schaffe, ohne absteigen zu müssen. Nur gelegentlich, wenn wieder mal die Gangschaltung versagt, muss ich runter vom Sattel und neu antreten. Nach fast zwei Wochen habe ich mich schon so daran gewöhnt, dass ich das schon gar nicht mehr für erwähnenswert halte. Das Hinterrad hat mir auf der ganzen Fahrt wesentlich mehr Sorge bereitet.

Interessant ist, wie „die Inseln“ hier mit ihren Touristen umgehen. Echtes Entwicklungsgebiet! Gestern auf Islay: Alles geschlossen. Jetzt hier auf Kintyre: Solltest Du hier mit der Fähre ankommen und auch nur irgendetwas erwarten, hast Du schon geloost. Hier ist nichts außer einem Plastik-Wartehäuschen und einem Klo. Die einzige Telefonzelle ist kaputt, kannst also nicht mal ein Taxi anrufen. Die nächste wirkliche Ortschaft ist wohl Tarbert und dürfte wohl ca. 20 km entfernt sein (das hatten wir ja vor zwei Tagen bereits festgestellt). Die Insel-Hauptstadt Campbeltown ist „Luftlinie“ ca. 35 km weit weg von hier.

Die nächste Fähre geht übrigens in ca. einer Stunde. Das verschafft mir Luft, diese paar Erinnerungen festzuhalten.

 
Arran. (Quelle: Postkarte)

13:05, km 32,83 Machrie Bay, (Arran)

Erreiche nach einer wunderschönen Fahrt entlang der Westküste von Arran die Abzweigung nach Osten in Richtung Brodick. Die Straße verlief – von wenigen Ausnahmen abgesehen – immer direkt an der Küste entlang und das – von einigen „Buckeln“ einmal abgesehen – völlig eben. Das haben wohl auch andere vor mir schon festgestellt: Die Strecke ist gut von Radfahrern frequentiert. Bei sonnigem Wetter konnten diese alle – ebenso wie ich -  heut’ früh die herrliche Aussicht auf das Meer genießen.

Nach Brodick sind’s über die B 880 noch ca. 9 Meilen. Die Sonne scheint immer noch.

14:40, km 48,62, Brodick (Arran)

Erreiche Fährhafen von Brockick. Nächste Fähre nach Ardrossan geht um 16:40 Uhr; habe mal wieder zwei Stunden Zeit.

15:00, Brodick (Arran)

Hab’ erst mal die mitgebrachten Vorräte aufgegessen und durchgeschnauft. Die letzten ca. 15 km hatten’s noch einmal in sich, führten mich aber durch eine unglaublich schöne Landschaft. Von der Abzweigung in Machrie Bay aus erreiche ich über eine kleine Nebenstraße die B880, die entlang des Machrie Water zu einer Passhöhe hinaufführt. Ständig hatte ich links vor mir einen gewaltigen Berg vor Augen. Nach Karte dürfte das der An Tunna gewesen sein; Höhenangabe = 1183. Das werden wohl feet sein, und das sind mal ganze 400 m. Da er aber direkt aus dem Meer herausragt und man am Strand mit dem Zählen bei Null anfängt ist das schon eine ganze Menge. Dass er – wie die übrigen Berge ringsumher – unbewaldet ist, lässt ihn natürlich noch viel schroffer erscheinen. Diese „übrigen Berge“ kann ich wunderbar sehen, nachdem ich endlich die Passhöhe (leider ohne Höhenangabe) erreicht habe. Das Wetter hat mich glücklicherweise heute nicht mehr im Stich gelassen. Es ist gerade richtig zum Fahren; nicht mehr so heiß, sondern – obwohl die Sonne scheint – fast schon ein bisschen frisch.

17:15, km 78,06, Prestwick Airport

Erreiche Prestwick Airport über die A78. Jetzt bin ich mal gespannt.

20:15, Prestwick Airport

Hat geklappt, war nur sündhaft teuer. War wohl der Letzte, der direkt am Schalter im Flughafen gebucht hat. Regulärer Abflug wäre bereits um 20:00 Uhr gewesen. Jetzt heißt es – glaub ich – 22:20 Uhr (oder so). Das heißt mit anderen Worten: Mitten in der Nacht in Hahn ankommen. Auch nicht so doll. Ansonsten warte ich jetzt zur Abwechslung mal auf ein Flugzeug, statt auf eine Fähre. Vive la difference.

Nutzen wir die verbleibende Zeit für einen kleinen Rückblick: Mit der Fähre in Ardrossan angekommen, versuchte ich, dem (ausnahmsweise mal ausgeschilderten) Radweg nach Irvine zu folgen. Er führte mich zunächst an der Strandpromenade von – ich schätze mal – Saltcoats entlang, verlor sich danach aber rasch im Gelände. Den Kampf mit buckeligen Betonplatten, Schlaglöchern, sowie Sand- und Graspassagen hätte ich vielleicht noch aufgenommen, nervtötend war aber wieder mal die miserable Ausschilderung der Strecke. Fast an jeder Kreuzung hieß es: Stehen bleiben und fragen. Die Antworten waren nicht immer sachdienlich, ein paar Meter weiter ging das Suchen von vorne los. Bei nächster Gelegenheit wechselte ich deshalb wieder auf die Hauptstraße (das müsste die A78 gewesen sein). Fortan war das Suchen kein Problem mehr. Prestwick Airport war deutlich ausgeschildert und so kam ich denn ruck-zuck hierher. Allerdings dürften das dann noch mal 15 – 20 Meilen Dual Carriage Way gewesen sein, also weiß Gott kein Fahrvergnügen.

Mit dem Buchen hat’s sofort geklappt. Nur mit dem Fahrrad gab’s Verständnisprobleme. Zunächst hieß es „No Problem“. Beim Check-in sollte ich dann plötzlich die Luft aus den Reifen lassen. Okay, das hab ich mir noch gefallen lassen, obwohl so richtig verstanden hab ich bis heute nicht, dass im Gepäckraum so ein gewaltiger Unterdruck herrschen soll. Schließlich werden ja gelegentlich auch Tiere im Laderaum mitgenommen und es sollen ja sogar schon blinde Passagiere dort überlebt haben. Ich hatte keine Lust auf Diskussionen und Luftrauslassen und Wiederaufpumpen ist ja auch nicht wirklich ein Problem. Dann sollte ich aber auch noch den Lenker lösen und querstellen (.. bis ich das überhaupt mal kapiert hatte). Das hab’ ich dann hartnäckig verweigert: „I ain’t got no tools“. Wenn selbst englische Profis es nicht schaffen, ohne „tool“ eine lächerliche Speiche zu reparieren, kann man auch von einem dummen Touristen nicht verlangen, dass er ohne „tool“ einen Fahrradlenker ab- und anmontiert. Das hat funktioniert. Plötzlich ging’s dann auch so...

Jetzt sitz’ ich hier, warte auf meinen Flieger und weiß eigentlich gar nicht so recht, wie es weitergehen soll.

21:50 (engl. Zeit), Prestwick Airport

... bin an Bord, stell’ jetzt die Uhr auf MEZ.

22:50 (MEZ), Prestwick Airport

O je, schon so spät!


Samstag, 14. August 2004

Strecke

Flughafen Hahn -  (B50) Simmern -  Budenbach - Kisselbach - Wiebelsheim - Oberwesel (Rhein) - Kaub - Lorch - (Wispertal) - Geroldstein - Langenseifen - Bad Schwalbach - Taunusstein - Wehen - Neuhof - (Hohe Kanzel) - Engenhahn - Niederseelbach - Niederjosbach - Eppstein - Fischbach - Schneidhain - Königstein - Oberursel -  Oberstedten

05:00, Flughafen Hahn

Bin so gegen 02:00 Uhr MEZ hier eingetroffen. Habe Fahrrad und Gepäck in Empfang genommen. War soweit alles o.k., nur die Kette war wieder mal runtergefallen. Habe die Kette wieder an ihren bestimmungsgemäßen Ort gebracht, die Reifen aufgepumpt und dann hier im Flughafen Hahn den neuen Tag abgewartet. Zum Glück ist der Flughafen nachts geöffnet, so dass ich nicht wegen der wenigen Stunden noch ein Hotel in Anspruch nehmen musste.

Das Wetter ist dabei, mir den Rest der Tour total zu versauen; hab’ s wohl aus den schottischen Highlands mitgebracht: Regen, Wind und Kälte. Hatte vor, noch mal zu Markus nach Aachen zu fahren. Plan war, loszufahren, so bald es hell wird. Hab’ ich mir jetzt aber abgeschminkt, es wird ganz einfach nicht mehr hell.

Will aber auch nicht ganz aufgeben und den Shuttle-Bus nach Frankfurt nehmen.  Aktueller Stand der Planung ist: Erst mal zur Mosel kommen und dann an Mosel und Rhein entlang in zwei drei Tagesetappen zurück in die Heimat.

06:35, Flughafen Hahn

Es wird etwas heller. The Show must go on. Beiße die Zähne zusammen und rüste zum Aufbruch gen Heimat.

08:50, km 28,9

Erreiche in einer kurzen Regenpause die Abzweigung Laubach – Oberwesel, also zum Rhein. Bin bis Simmern die A 50 gefahren. Ging nicht anders. Sturm, Regen, hupende Autos. Alles, bloß kein Spaß. Die Mosel-Variante hatte ich bereits nach wenigen Kilometern aufgegeben. Das Wetter ist einfach zu miserabel und es sieht nicht nach einer Besserung aus. Jetzt erst mal raus aus den Bergen.

10:10, km 48,92; Oberwesel (Rhein)

Erreiche Oberwesel. Schönes Café, freu mich auf ein Stück Kuchen. Leider geschlossen. Ich hab’ Hunger und mir ist kalt.

10:51, km 53,46, Kaub (Rhein)

Kaub. Bin jetzt mal auf die andere Rheinseite gewechselt. Kaffeepause.

11:55, km 59,85, Lorch (Rhein)

Es wird ernst. Erreiche die Abzweigung zum Wispertal bei Lorch. Zum ersten mal fahr’ ich diese Strecke heute aufwärts. Mir graust’s. Der Regen hat ein wenig nachgelassen, es ist aber immer noch trüb. Einen Sonnenbrand hole ich mir heute nicht.

14:25, km 92,66, Bad Schwalbach

Bad Schwalbach, Mittagspause.30 km Steigung im strömenden Regen, teilweise bei Gewitter, das war hoffentlich die letzte Prüfung. Dachte, das hört gar nicht mehr auf. Bei allen Problemen: Landschaftlich ist das Wispertal ein Genuss, selbst bei diesem Wetter.

16:45, km 121,36, kurz vor Eppstein

Zug von vorderer Gangschaltung gerissen, kein Ersatz dabei. Muss eben die Schaltung am Hinterrad reichen, ist ja nicht mehr weit. Die letzten Kilometer werd’ ich nochmal vom Schwitzen nass, nicht mehr vom Regen, ist jetzt auch egal.

18:20, km 145,69, Oberstedten

Oberstedten, Borngässchen 1, Fahrtende.


By, by, Scotland – ich komme wieder...


Bagpiper (Quelle: Internet)