Elisabeth Ernst geb. Hett  (1886 – 1962)

Ich möchte an dieser Stelle mit einer meiner bisherigen Gepflogenheiten brechen und nicht nur den männlichen Vorfahren, den „Stammhaltern" ein eigenes Kapitel widmen, sondern auch meiner Großmutter diese Ehre zukommen lassen. Das hat zwei Gründe:

Der erste ist ganz banal. Es sind einfach zu viele Bilder und Unterlagen von ihr erhalten geblieben. Schuld daran ist wieder einmal die Eigenheit meines Vaters, einfach nichts wegwerfen zu können. So haben zahlreiche Dokumente nicht nur zwei Weltkriege überlebt, sondern vor allem auch die Zeit des großen Wegschmeißens nach den Kriegen.

Der zweite Grund ist, daß ich bei der – zugeben sehr späten Beschäftigung mit meiner Großmutter - erst jetzt darauf gestoßen bin, um welch ein interessante Person es sich bei ihr überhaupt gehandelt hat. Zu ihren Lebzeiten war ich ein ziemlich ungezogenes Kleinkind und war mir dessen überhaupt nicht bewußt. Damals war meine Gedankenwelt eine ganz andere. Für mich waren damals „Omas" einfach eine andere Sorte von Leuten, ebenso wie zum Beispiel „Eltern". Eltern waren eben Eltern, Omas waren Omas und wir Kinder waren Kinder; alle hatte ich sie so kennen gelernt, wie sie damals waren - und für mich war sonnenklar, daß sie schon immer so waren wie sie eben waren und auch immer so bleiben würden.

Omas hatten weiße Haare, trugen dunkle Schürzen, paßten auf ihre Enkel auf, halfen den Muttis beim Kochen und waren ansonsten relativ uninteressant. Vielleicht kann ich mit diesen Aufzeichnungen einiges von meinen kindlichen Gemeinheiten wieder gut machen.


Hette, Hette, Hette...

Meine Großmutter kam am 11. November 1886 als 7. Kind der Eheleute Friedrich Hett III und Elisabeth Hett, geb. Jäger  zur Welt. Im Kirchenbuch St. Johannes, Geburten, ist zu diesem Ereignis folgender Eintrag zu finden:

1886/439 Hett11. / 16.
Elisabeth filia legitima Friderici Hett 3. curricular et Elisabeth Jäger conjugum hujat.
Levante Elisabeth Ohmeis huj.
oo mit Georg Adam Ernst 3.10.1920 dahier.

Die Mutter Elisabeth, geb. Jäger entstammt – ebenso wie der Vater – einem alten Kirdorfer Geschlecht. Aus ihrer Familie ist das meiste an schriftlichen Unterlagen erhalten geblieben – so viel, daß ich hier gar nicht detailliert darauf eingehen möchte, damit meine Großmutter nicht schon wieder in den Hintergrund gedrängt wird. Ich werde später und an anderer Stelle auf diese Unterlagen eingehen.

Über den Vater, Friedrich Hett III konnte ich bisher noch nicht allzu viel in Erfahrung bringen. Sein Beruf wird mal als Fuhrmann, an anderer Stelle als Taglöhner, später dann auch als Fabrikarbeiter angegeben. Sowohl vom Vater als auch von der Mutter hat jeweils ein Bild bis heute überlebt:

 

Friedrich Hett III,
Vater von Elisabeth Hett

Elisabeth Hett, geb. Jäger,
Mutter von Elisabeth Hett

Ich hoffe, ich langweile nicht, wenn ich auch an dieser Stelle stereotyp den Satz wiederhole, daß mein Großvater mit seiner Hochzeit in eine uralte Kirdorfer Familie einheiratete; bei allen vorangegangenen Personenbeschreibungen traf dieser Satz zu und auch an dieser Stelle wird die Regel nicht durchbrochen: Elisabeth Ernst ist ein original Kirdorfer Gewächs. Hinzu kommt noch, daß wir jetzt sogar in zwei aufeinanderfolgenden Generationen – bei Andreas und Adam – ein Einheiraten in die Hett-Dynastie zu verzeichnen haben.

Nichts gibts auf der Welt häufiger als Hette in Kirdorf. Und nichts auf der Welt ist wohl auch so verschieden wie die Hette in Kirdorf. Während man aber über Generationen versuchte, Differenzierungen herauszuarbeiten, um die Geschlechter auseinanderhalten zu können, komme ich nun mit meinen Kirchenbücher-Studien daher und stelle fest, daß alle Kirdorfer Hette – insbesondere die in meiner Familie vorkommenden – schließlich und endlich auf einen Hett zurückgehen: Nämlich jenen Johannes (Hans) Hett, der schon zu Zeiten des 30-jährigen Krieges mit seiner Ehefrau Anna Catharina auf dieser Erde weilte und der wohl aus Stammvater aller echten Kirdorfer Hette angesehen werden darf. Zumindest gilt diese Aussage sowohl für Elisabeth Ernst, die Ehefrau meines Großvaters Adam, als auch für Margarethe („Gretche") Hett, die Ehefrau meines Urgroßvaters Andreas. Die Anwesenheit des "Urahnes" Johannes (Hans) Hett in Kirdorf ist seit 1668 nachweisbar (vgl. Kap. 1.2).


Die Geschwister

Das erste Kind der Familie - Maria Magdalena, geb. 3 September 1876 - ist bereits nicht mehr am Leben, als Elisabeth zur Welt kommt. Maria Magdalena wird nicht mal ein ganzes Jahr alt, sie stirbt am 18 März 1877. Damit wird das zweite Kind, Heinrich Friedrich, geb. 21 Oktober 1877, zu Elisabeths ältestem Bruder. Heinrich wird später eine Frau Namens „Mina“ (vermutlich Wilhelmine) Scheu heiraten und einen Sohn mit Namen Ignaz haben. Ein Bild von den Dreien – zusammen mit Elisabeth -  ist uns erhalten geblieben:

 

Dieses Bild zeigt Elisabeth Hett (links) zusammen mit ihrem Bruder Heinrich, dessen Ehefrau „Mina“ und Sohn Ignaz

 

Späteres Bild von Heinrich und Mina Hett

 

Die Spur der Familie verliert sich aber danach. Von Heinrich selbst sind einige Feldpostbriefe aus dem Ersten Weltkrieg erhalten geblieben; das entsprechende Kapitel wird von mir bei nächster Gelegenheit ergänzt.


Eva, geb. 5 Juni 1879 ist die älteste Schwester; Eva wird später einen gewissen Anton Wilhelm Ernst aus Homburg heiraten. Der Name Ernst ist in diesem Zusammenhang purer Zufall – er hat mit „unserer“ Ernst-Familie überhaupt nichts zu tun – zumindest „noch“ nicht. Ich bin mir ziemlich sicher, daß man zeitlich nur weit genug zurückgehen muß, um die gemeinsamen Vorfahren zu finden. Nach dem bisherigen Stand der „Ernst-Forschung“ bin ich aber noch nicht bis zu dieser Stelle vorgedrungen.


Karolina Elisabetha, geb. 28 Februar 1881, wird später durch die Hochzeit mit Valentin Felix in die Wehrheim-Dynastie einheiraten; sie ist auf folgendem Bild zusammen mit ihrer Schwester Elisabeth zu sehen:


Elisabeth Ernst, geb. Hett, sitzend, erste von links.
Als zweite von rechts (stehend) sehen wir ihre Schwester Karolina
Anlaß der Aufnahme und die Namen
der übrigen Beteiligten sind leider unbekannt.

 


Wesentlich mehr Informationen haben wir dagegen über Isabella Maria, geb. am 13 März 1883. Der erste Ehemann von Isabella hieß mit Nachnamen Faller. Aus dieser Ehe stammen die Kinder Isabel, Heinrich und Elisabeth.

Isabella  Faller, bzw. Kutritzki geb. Hett

Der zweite Ehemann hieß Kutritzki. Mit ihm zusammen verließ sie Kirdorf und zog nach Solingen. Dabei nahm sie ihre Tochter Isabel mit. In Solingen kamen aus dieser zweiten Ehe noch die Kinder Marie und Irmgard zur Welt. 

Sohn Heinrich blieb bei seiner "Tante Boß" in der Fußgasse in Kirdorf  zurück, Tochter Elisabeth ebenfalls. Letztere zog zu ihrer Patentante Elisabeth Ernst. Für meine engere Verwandtschaft werden wohl eher die Namen „Faller-Heine“ und „Tante Lisbeth“ was sagen. Heinrich Faller hatte in Kirdorf eine Schlosserei, Elisabeth Faller heiratete einen gewissen Fritz Spanka – unseren „Onkel Fritz“ und verbrachte den Rest ihrer Tage ebenfalls in Solingen. Wenn ich an dieser Stelle noch mehr auf die einzelnen Personen eingehen würde, käme meine eigene Großmutter wieder einmal zu kurz. Für heute möchte ich es bei diesen Bemerkungen belassen – das Bildmaterial, das bei meinem Vater noch wartet, reicht aus, über Tante Isabella und ihre Nachkommen eine eigene Chronik zu verfassen.


Von Elisabeths Bruder Friedrich Josef, geb. am 20 Februar 1885 habe ich bisher noch kein Bild finden können. Friedrich starb zu Zeiten des Zweiten Weltkrieges. Die Umstände, die zu seinem Tod führten, sind äußerst merkwürdig. Er wurde für geisteskrank erklärt und starb bereits nach wenigen Tagen in einer Heilanstalt an „Lungenentzündung“. Friedrich arbeitete in der Nazi-Zeit und auch während des Krieges bei der Bahn. Es ist zu vermuten, daß er auch Deportationen von Juden selbst fahren oder begleiten mußte und dadurch von Dingen erfuhr, die der breiten Öffentlichkeit zu jener Zeit noch nicht bekannt waren. Jedenfalls besuchte Elisabeth ihren Bruder noch wenige Tage vor dessen Einlieferung in die Heilanstalt und berichtete dann zu Hause, daß er wirre Dinge von sich gegeben hätte; er habe lauthals über die Nazis geschimpft und über die „Schweinereien, die die mit den Juden machen“ würden. Kurz darauf wurde er abgeholt und kam ca. zwei Wochen später in einem versiegelten Sarg wieder zurück. Todesursache: Lungenentzündung. Verheiratet war er mit der aus Fritzlar stammenden Maria Josepha Becker.


Nach der Geburt „unserer“ Elisabeth kamen noch zwei jüngere Geschwister zur Welt: Maria Katharina, geb am 27 Januar 1889; das Kind verstarb aber bereits wieder im zweiten Lebensjahr am 13 Dezember 1890. Als jüngster Bruder kam am 8 Juli 1890 Johann Josef  zur Welt. Josef blieb ledig und verstarb am 4 März 1920 in Kirdorf. Von ihm gibt es noch ein Bild; außerdem sind einige der erhaltenen Feldpostbriefe an ihn gerichtet.

Johann Josef Hett,
Kommunionbild

 

 


Kinder und Jugendjahre

Während mir über die Kinderzeit meiner Großmutter eigentlich nichts bekannt ist, sind aus den Jugendjahren zahlreiche Bilder erhalten geblieben, die – auch ohne viele Worte verlieren zu müssen – einen guten Eindruck über Elisabeth entstehen lassen:

Elisabeth Ernst.
Ort, Datum und Anlaß der Aufnahme sind leider unbekannt


Für einige heute lebenden "Ernste" mag es interessant sein, daß der Drang zur Bühne schon in früheren Generationen vorhanden war. Die folgenden Bilder zeigen eine jugendliche Elisabeth bei Auftritten des "Katholischen Arbeitervereins"::

 

Kath.Arb-Verein. - Weihnachtsfeier 1910 (Rose von Sion)
Elisabeth Ernst geb. Hett:
obere Reihe, ganz rechts


 

Katholischer Arb.-Verein, Details unbekannt, Elisabeth Ernst geb. Hett: oberste Reihe, erste von links.

 


Der Erste Weltkrieg

Die Zeit der Muße hatte aber leider auch bei der Familie Hett und unserer jungen Elisabeth schon bald ein Ende und mußte den Schrecken des Ersten Weltkrieges weichen. Aus den noch erhaltenen Feldpostbriefen ist zu entnehmen, daß zumindest der älteste Bruder Heinrich den Krieg aktiv als Soldat miterlebte. Hier eine seiner Karten an den jüngsten Bruder Josef aus dem Jahr 1917:

 

 

Frankreich, den 23. Mai 1917

Lieber Bruder Josef,

Deine Karte vom 15. habe ich erhalten und daraus gesehen, daß bei Euch noch alles gesund ist, was ich auch von mir sagen kann. Der Urlaub bei uns ist immer noch gesperrt, es kann sein, daß ich vielleicht im August nach Hause mal komme. Wir haben günstige Aussichten, daß der Krieg bald ein Ende nehmen wird und wir bald ganz nach Hause kommen. Ich wünsche Euch allen vergnügte Feiertage.

Viele Grüße auf Wiedersehen an Euch alle sendet Heinrich

 Absender: Wehrmann Hett, 3. Bataillon. 9. Kmp. Reg. 87 Reserve Inf. 

 


Das Elternhaus von Elisabeth Ernst, geb.Hett

Von Elisabeth wissen wir auch, wo sie als Kind gewohnt hat und groß geworden ist: Ihre Eltern hatten ein kleines Anwesen mitten im Ortskern von Kirdorf. Es handelte sich um das Haus Nr. 15. Nach Einführung der Straßennamen lautete die Anschrift zunächst „Kirchgasse 21“, später dann „Am Kirchberg 21“. Es war ein bescheidenes, einstöckiges, nicht-unterkellertes Häuschen, das der niedrigen Baufolge-Nummer zufolge bereits zu Zeiten von Elisabeths Kindertagen zu den ältesten Kirdorfer Wohnhäusern gehört haben muß.

Es gehörte zu einer Häusergruppe von vier Häusern (den Nummern 14, 15, 16 und 17) mit einer gemeinsame Einfahrt. Diese befand sich fast genau gegenüber des Pfarrhofs.

Die älteste mir bisher zugängliche Quelle, in der dieses Anwesen verzeichnet ist, ist – wieder einmal – die Karte Valentin Denfelds „Das Ort Kirrdorff – Zustand um 1826“; hier ein Ausschnitt aus dieser Karte:

bei der rot markierten Häusergruppe handelt 
es sich um die oben beschriebenen Häuser-Nummern 14 -17;
das Haus mit der Nummer 15 befindet sich oben links

 

Zum Vergleich hier ein Ausschnitt aus dem Original-Lageplan von 1826

Zum Zeitpunkt des Entstehens dieser Karte – also um 1826 – waren die heutigen Straßenbezeichnungen noch unbekannt (vgl. Kapitel 4: Der Wohnsitz). Die einzelnen Wohnhäuser hatten fortlaufende sog. Baufolgenummern. Die Straße, die heute die Bezeichnung „Am Kirchberg“ führt, ist in der Karte beschrieben mit: „Straße um den Kirchhof herum“. Zu dieser Zeit, lange vor dem Bau der heutigen St. Johannes Kirche, befand sich der Friedhof noch mitten im Ortskern. Auf der Karte ist dies sehr gut zu erkennen.

Als Eigentümer per 1826 werden von Valentin Denfeld aufgeführt:

Haus Nr. 14:              Georg Braun III Wwe.
Haus Nr. 15:              Johannes Braun II
Haus Nr. 16               Caspar Göbel (ab 1845 Stockw.Eigent.)
Haus Nr. 17               Philipp Wolf

Alle vier Häuser hatten wie bereits erwähnt eine gemeinschaftliche Grundstückseinfahrt.

Als Elisabeth Hett am 11. November 1886 das Licht der Welt erblickte, gehört das eben beschrieben Anwesen noch einem gewissen August Göbel III und dessen Ehefrau Katharina geb. Molitor; in Kirdorf „regiert“ Bürgermeister Heinrich Raab, in Berlin Kaiser Wilhelm I und dessen Reichskanzler Bismarck


Kaufbrief von 1888

Etwa zwei Jahre später - im „Dreikaiserjahr“1888 - treten die Eltern Elisabeths - das Ehepaar Friedrich Hett III und Elisabeth Hett, geb. Jäger – schließlich als Käufer des Anwesens „Haus Nr. 15“ auf. Gemäß Kaufbrief erwerben sie „ein einstöckiges Haus ... einen Nebenbau und einen Stall ... in der Gemarkung Kirdorf“ . Für Freunde alter Urkunden: Durch glückliche Umstände ist uns diese im Original erhalten geblieben; sie befindet sich im Besitz meines Vaters Herbert Ernst. Nachstehend ist eine Abbildung der Titelseite zu sehen, die komplette Abschrift ist weiter unten zu finden:

 

 (Seite 1)

 

 

14,00 Mark Stempel liquidiert

 

Kaufbrief

 

        Ich, August Göbel III und ich, dessen Ehefrau Katharina geb. Molitor zu Kirdorf, urkunden und bekennen hiermit für uns und unsere Erben, daß wir zu mehrerer Beförderung unseres Nutzens an

 

Friedrich Hett III und dessen Ehefrau Elisabetha, geb. Jäger zu Kirdorf

 die nachstehend bezeichneten Immobilien in der Gemarkung Kirdorf  

 

Frtlfd.Nr.Lgb./Kartbl.

 

                    10/18                Ein einstöckiges Haus Nr. 15

                                             ein Nebenbau lit. a

                                             ein Stall lit. b

 

                     12/185             9 Ruthen, 73 Schuh, 1 Ar, 16 Meter

                                             Grund und Hofplatz

                     ad   

                     12/186             74 Schuh, 9 Meter von 
                                             der gemeinschaftlichen Einfahrt 

                                             Nr. 17 a neben Peter Raab und Franz Göbel II

 

Kirdorf 49/88

 

(Seite 2)

  

unter folgenden Bedingungen:

 

1)     Die Zahlung des Kaufgeldes erfolgt bis zum 1. August l.J. gegen Aushändigung des Kaufbriefs.

2)     Das Eigenthumsrecht bleibt den Verkäufern bis zur völligen Auszahlung des Kaufschillings vorbehalten. 

3)     Das Immobile wird so wie es im Flurbuche beschrieben, ohne irgend welche Gewährleistung verkauft und übergeben.

4)     Die Übergabe erfolgt am 1. August l.J. mit Allem, was wand-, band-, nied-, nagel und mauerfest ist.

5)     Die Steuern, Lasten und Abgaben, so wie dieselben auf dem Verkaufsobjecte lasten, gehen vom 1. August l.J. an auf den Käufer über. 

6)     Die Gerichtskosten und Stempel werden vom Käufer getragen.

 

(Seite 3)

 

für die Summe von 1.400 Mark, schreibe Eintausendvierhundert Mark, wohlbedächtlich und aufrichtig, auch unwiderruflich verkauft haben weshalb wir den Käufern den Besitz und nach Aushändigung dieses Kaufbriefes auch das Eigenthum des verkauften Stückes abtreten und überlassen. Übrigens versprechen wir, die Verkäufer dieses Kaufes halber behörige Währschaft zu leisten, und entsagen zugleich wissentlich und wohlbedächtig in bester Form Rechtens allen und jeden sonst zugelassenen Rechtswohlthaten, Einwendungen und Ausflüchten, als: anders vorgegangener und verstandener Dinge, Furcht, Irrthums, Zwangs, dringender Noth, listiger Überredung und anderen Betrugs, Wiederherstellungs vorigen Standes, Verkürzung im wahren Wert oder wie sie sonst Namen haben und erdacht werden mögen, vornehmlich der Rechtsregel, daß gemeiner Verzicht ohne vorherigen besonderen, nicht binde. Alles getreulich ohne Arglist und Gefährte.

 

Dessen zur Urkunde haben wir diesen Kaufbrief gehörig ausfertigen lassen, eigenhändig unterzeichnet und das Königliche Amtsgericht hier um dessen richterliche Bestätigung ersucht.

 

So geschehen, Homburg den 4ten Juni 1888

 

Es folgen die Unterschriften:

August Göbel 3te

Katharina Göbel geb. Molitor

 

Gerichtlich bestätigt,

Homburg v.d.H., den 10. Juli 1888

Königliches Amtsgericht, II. Abteilung

Unterschrift:

L. Stu..??

Stempel

Königlich Preussisches Amtsgericht, Homburg v.d.Höhe

 

 

Lageplan von 1902

Einige Jahre später – konkret im Jahr 1902 – wird aus mir bisher noch nicht näher bekannten Gründen eine „Handzeichnung ... „zum Zwecke der Orientierung“ erstellt, die das Anwesen der Familie Hett mit den Nachbargebäuden zeigt, wie es Elisabeth in ihren Kindertagen gesehen und erlebt haben muß:

Auf dieser „Handzeichnung“ des „Königlichen Katasteramts“ vom 11. Juni 1902 sehen wir nicht die im letzten Plan angegebenen Baufolge-Nummern, sondern die heute noch üblichen Flurstücksbezeichnungen; die teilweise zu sehenden Familiennamen wurden zu einem späteren Zeitpunkt ergänzt.

Das Flurstück mit der Nummer 183 gehörte um die Jahrhundertwende einer Familie Wehrheim, die Nummer 137 einer Familie Raab, die Nummer 184 ist noch zu klären und die Nummer 185 „unserer“ Familie Hett. Auf dem Plan sind die im Kaufvertrag aufgelisteten Bestandeile der „Immobilie“ deutlich zu erkennen: Das einstöckige Haus mit dem Nummer 15, der Nebenbau mit der Bezeichnung „lit a“, der mit lit b“ bezeichnete Stall, der Grund und Hofplatz und die gemeinsame Einfahrt.

Wie in der damaligen Zeit üblich, betrieben die Hette und später die Ernste neben ihrer beruflichen Tätigkeit  ein wenig Land- und Viehwirtschaft. Im kleinen Stall befand sich gewöhnlich ein Schwein und zwei Ziegen, sowie einige Hasen. Das Schwein überlebte meist die Weihnachtsfeiertage nicht, es fiel gewöhnlich einem Schlachtfest zum Opfer. Das Wasser wurde zu jener Zeit noch aus dem öffentlichen Brunnen geschöpft; man hatte die Wahl zwischen dem Pumpstock vor der neuen Schule oder dem Brunnen am Bornplacken.


Versicherungspolice von 1902

Nicht nur dieser Lageplan aus dem Jahr 1902 ist erhalten geblieben, sondern sogar der Original-Versicherungsschein aus dem gleichen Jahr:


Der Verkauf

Bevor ich wieder zurückkehre zur Person Elisabeth Ernst möchte ich noch kurz über das „Ende“ der Geschichte des Elternhauses – in dem auch mein Vater und dessen Bruder ihre Kindertage verbrachten - berichten. Hierzu müssen wir eine kleine Zeitreise unternehmen und uns in das Jahr 1958 begeben. Zu diesem Zeitpunkt bin ich bereits auf der Welt und wohne zusammen mit Eltern und Großeltern in der Friedberger Straße 12.

Am 11. März 1958 wird das Anwesen „Am Kirchberg 21“ für ganze DM 2.000,00 an eine „Frau Maria Herbert, geb. Högerl, aus Bad Homburg v.d.Höhe – Kirdorf, Am Kirchberg 13“ verkauft. Obwohl ich zu diesem Zeitpunkt schon fast 7 Jahre alt war, bekam ich von dieser Angelegenheit damals nichts mit. Ich habe auch nie das alte Häuschen in der Kirchgasse bewußt wahrgenommen, mein Interesse für die Geschichte der Familie begann erst viel, viel später. Alles, was ich über dieses Fleckchen Erde weiß, habe ich den oben zitierten Unterlagen entnommen oder von meinem Vater erfahren.

Über meinen Vater konnte ich auch erfahren, daß Frau Herbert – die unmittelbare Nachbarin – das Anwesen damals erwarb, weil deren Grundstück fast vollständig durch das daraufstehende Haus bedeckt war. Auf dem Lageplan von 1902 ist das gut zu erkennen: Das Anwesen der Herberts befindet sich auf dem Plan rechts neben dem Grundstück der Hett’s; es hat die Flurbezeichnung 476/229. Aufgrund dieser räumlichen Enge wurde „unser Häuschen“ – das zu diesem Zeitpunkt fast 400 Jahre dort stand - kurz nach dem Verkauf abgerissen und nicht wieder aufgebaut. Der kleine Stall stand offenbar nicht im Weg. Er hat bis heute überlebt.

Ein glücklicher Umstand führte dazu, daß wir doch noch einen kleinen optischen Eindruck von dem Häuschen in der Kirchgasse bekommen können: Ausgerechnet auf der Ausstellung anläßlich der 100-jährigen Eingemeindung Kirdorfs am 9.8.2002 habe ich durch ein Gespräch mit Erwin Schneider, einem rührigen Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft „Unser-Kirdorf“, erfahren, daß es noch ein kleines Bild vom Abriss des Häuschens gibt. Er selbst hat es damals als Nachbar „geschossen“. Er hat es mir am nächsten Tag mitgebracht und freundlicherweise für meine Familienchronik überlassen.

Das Bild zeigt im Vordergrund das ehemalige Wohnhaus der Familie Adam Ernst (bei älteren Kirdorfern heute noch als „’s Häusche vom Krobbe“ bekannt) mit bereits entfernten Dach. Links im Hintergrund ist der kleine Stall zu sehen, der heute immer noch seine Funktion erfüllt.

Abriss des „Haus Nr. 15“ –im Hintergrund ist der Stall zu sehen – er stand nicht im Wege und hat deshalb überlebt. Er steht heute noch. Das Bild stammt von Erwin Schneider und wurde mir anläßlich der Feierlichkeiten „100 Jahre Eingemeindung“ am 10.8.2002 überreicht.

Das weitere Schicksal unserer Elisabeth Ernst geb. Hett spielt sich - ebenso wie die des Ehemannes Georg Adam Ernst - im Haus Friedberger 12 statt. Das Kapitel „Am Kirchberg“ ist damit abeschlossen. Wer an weiteren Einzelheiten zu diesem alten Kirdorfer Straßenzug interessiert ist, dem sei die Sonderseite „Am Kirchberg“  empfohlen.


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