Elisabeth Ernst geb. Hett 

&

Georg Adam Ernst

Sorry, your browser doesn't support Java(tm).

Die Ehe mit Elisabeth geb. Hett 

Nachdem ich beide Partner auf unterschiedlichen Seiten ausführlich vorgestellt habe, kommen wir nun zu dem gemeinsamen Teil ihrer Lebensgeschichte: Am 03.10.1920 heiratet Georg Adam Ernst in Kirdorf die ebenfalls aus Kirdorf stammende Fabrikarbeiterin Elisabeth Hett; die standesamtliche Trauung fand bereits einen Tag vorher statt. Das Hochzeitsbild der beiden ist uns erhalten geblieben:  


(Hochzeitsbild von Georg Adam Ernst und Ehefrau Elisabeth geb. Hett)

Die Eltern von Elisabeth haben die Hochzeit ihrer Tochter leider nicht mehr erlebt. Die Eltern von Georg Adam leben zu diesem Zeitpunkt im Haus Friedberger Str.12. Das junge Paar wohnt in dem kleinen - bereits an anderer Stelle ausführlich beschriebenen - Häuschen in der Kirchgasse, Elisabeths Elternhaus. Das Leben ist nicht leicht. In eben diesem Häuschen in der Kirchgasse gibt es noch kein fließendes Wasser. Das Trinkwasser muss vom Brunnen an der Alten Schule herangeschafft werden.

Adam arbeitet - soweit wir wissen - wie vor dem Krieg bei der Firma Deutschmann. Sein Arbeitsplatz ist in der Regel Frankfurt. Soweit es eben Arbeit gibt. Und das ist keineswegs mehr so selbstverständlich. Wenn der strenge Winter die Baustellen verwaisen lässt, beschäftigen sich die Kirdorfer Maurer häufig mit Eisbrechen. Das Eis der umliegenden Teiche und Bäche wird im Blöcke zersägt, in Stroh oder Sägmehl gehüllt und als Kühlmittel für die heißen Sommer in Kellern und Stollen geschafft und dort aufbewahrt. Das bringt ein wenig Zubrot. Mein Vater erinnert sich allerdings, dass unser Großvater in den Wintermonaten in der Regel weniger mit Eis, als vielmehr mit Holz beschäftigt war. Häufig ward er im Wald zu sehen:  Mit Leiterwagen, Axt und einigen groben Keilen ausgestattet, holte er das Wurzelholz aus dem Boden und brachte es als Brennholz mit nach Hause. Überhaut wurde das  gesamte Brennmaterial für den Winter im Wald gesammelt, zu Hause kleingeschnitten und gehackt. Hin und wieder wurden kleine Aufträge angenommen: Man half sich gegenseitig beim Renovieren, beim Schlachten oder bei allerlei anderen Arbeiten, die einem das Leben in dieser Zeit so abverlangte.

Daneben müssen die Felder bestellt und das Vieh versorgt werden. Wie fast alle Kirdorfer betreibt  auch unserer Familie einen kleinen landwirtschaftlichen Nebenbetrieb. Diese Arbeiten müssen,  wenn man Lohnarbeit hat, natürlich zusätzlich erledigt werden. Eine meine ältesten Erinnerungen an meinen Großvater ist beispielsweise die, dass er regelmäßig nach dem Abendessen, noch mit Messer und Gabel in der Hand, am Tisch einschlief. Wir als Kinder fanden das damals lustig. Wer aber selbst einmal von Sonnenaufgang  bis Sonnenuntergang körperlich gearbeitet hat, der findet das wahrscheinlich gar nicht mehr zum Lachen. Allerdings muss ich dazusagen, dass ich in meinem ganzen Leben nie wieder so zufriedene und glückliche Menschen kennen gelernt habe, wie meine eigenen Eltern und Großeltern.

Doch zurück in die 20-er Jahre: Nach allem, was wir aus dem Geschichtsunterricht wissen und was aus persönlichen Erinnerungen der noch Lebenden erhalten geblieben ist, müssen die ersten Ehejahre schwere Jahre gewesen sein. Arbeitslosigkeit, Inflation und die Geburt von zwei Kindern waren große Herausforderungen,  die es zu meistern galt.

Inflation 1922 - 1923

Als ein Stück "lebendige Geschichte" sind uns durch Zufall - über den Nachlass unserer Großmutter Elisabeth Keiper, geb. Schramm - die handschriftlichen Notizen des Albert Schramm in die Hände gefallen. Albert Schramm war zu jener Zeit ebenfalls Maurer in Kirdorf. Er hat über seinen Lohn täglich Buch geführt. Nachstehend finden Sie die Einträge aus dem Jahr 1923. Besser als tausend Worte vermittelt dieser kleine Ausschnitt die Geschwindigkeit und das Ausmaß der damaligen Geldentwertung:

Während einige Seiten vorher die Ausgaben für Handwerker an einem Neubau noch in Mark und Pfennigen registriert sind, und diese selbst bei größeren Arbeiten kaum über zweistellige Werte hinausgehen,  hören am 24. August 1922 die Pfennig-Einträge ganz auf und das Tageseinkommen eines Maurers hat die 1.000-Mark-Grenze bereits weit überschritten. Ab Oktober können die Zahlen nicht mehr ausgeschrieben werden, weil die Breite der Spalte dazu nicht ausreicht. Die Einträge enden am 7.11.1923 mit einem Tageslohn von 1.008 Milliarden Mark!

Weil die Einträge so schwer zu entziffern sind, hier noch mal ein paar Eckdaten, in Zahlen - nicht in Worten, damit die Relationen besser zu erkennen sind: 

Datum:

Tageslohn, Reichsmark:

06.07.1922

584,80 

16.08.1922

1.621,10 

01.09.1922

2.160,--

01.12.1922

6.090,--

13.01.1923

18.840,--

02.03.1923

67.500,--

02.06.1923

126.000,--

02.08.1923

1.947.750,--

07.09.1923

56.000.000,--

16.10.1923

9.400.000.000,--

31.10.1923

300.000.000.000,--

07.11.1923 1.890.000.000.000,--

Es ist die Zeit, in der das Geld mit Säcken zum Einkaufen geschleppt wird und Kinder aus wertlos gewordenen Geldscheinen Burgen bauen. Wenige Tage nach dieser letzten Eintragung - am 16. November 1923 - hört der Spuk durch Einführung der Rentenmark wieder auf und die verarmten Menschen gewinnen langsam wieder Vertrauen in den Wert des Geldes.


Die Kinder

Mitten in diesen Inflationswirren erblickt am 09.10.1923 Heinrich Josef als erstes Kind das Licht der Welt. Drei Jahre später, am 14.06.1926 folgt Heribert Andreas, mein Vater. Die Familie ist jetzt komplett:

Mein Vater erinnert sich an diese Zeit wie folgt:

"Euer Opa (also Georg Adam Ernst) arbeitete in Frankfurt. Er fuhr jeden Tag schon früh um 6 Uhr mit der Straßenbahn los. Freitags war Zahltag. Oft holten wir ihn in Bad Homburg am Marktplatz ab. Der Verdienst lag in den dreißiger Jahren bei 30 - 35 Reichsmark. Davon ging dann noch die Wochenkarte für die Straßenbahn ab, das waren so zwischen 5 - 6 RM. 

Die meister Erinnerungen sind noch mit Weihnachten verbunden. Am Heiligen Abend trafen sich alle bei Opa und Oma (Anmerkung: Andreas und Margarethe Ernst) in der Friedberger Straße. Geschenke waren Mangelware. Es gab Plätzchen und es wurden Lieder gesungen, als Abendbrot gab es Brot und Wurst und dazu Apfelwein aus dem Keller. Zu Hause (Anmerkung: am Kirchberg) hatten wir einen Kaufladen und ein Burg mit Soldaten. Die auf einem Felsen stehende Burg hatte uns Heinrich Faller gebaut."


Glückliche Zeiten zwischen den beiden großen Kriegen

Leider sind von diesen wenigen glücklichen Jahren nur Bilder geringer Größe und Qualität erhalten geblieben. Als Motive kehren dabei immer wieder Omas Verwandte aus Solingen (vgl. Kapitel Elisabeth Ernst) wieder, zu denen man freundschaftliche Beziehungen unterhielt. Die Familien besuchten sich mehrmals, teils kamen die "Solinger" nach Kirdorf, teils fuhren die "Kirdorfer" nach Solingen:

Bild 1: 

Dieses Bild entstand im Jahr 1936 anlässlich eines Besuches in Solingen. Hinten sehen wir Elisabeth und Fritz Spanka, vorne links deren Sohn Karl Heinz und rechts daneben Heinrich Ernst.


Bild 2

Von einem Gegenbesuch in Kirdorf zeugt dieses Bild. Auf diesem sehen wir von links nach rechts:  Heinrich Ernst, Karl Heinz Spanka, Elisabeth Ernst, Elisabeth & Fritz Spanka und Adam Ernst. Es ist das einzig erhaltene Bild, das die Familie noch am Elternhaus von Elisabeth Ernst  zeigt. Leider ist das Haus selbst nicht zu sehen, sondern nur ein Teil des Stalles, der kurioserweise heute immer noch steht. Das Elternhaus selbst existiert nicht mehr.


Bild 3

Hier sehen wir erstmals Adam Ernst mit seiner gesamten Familie. Das  Bild wurde aufgenommen im Garten des Anwesens Friedberger 12, im Hintergrund die "Langen Wiesen".


Bei gleicher Gelegenheit wurden wohl auch die beiden nächsten Bilder aufgenommen. Obwohl sie qualitativ sehr minderwertig sind, möchte ich sie dem Betrachter nicht vorenthalten, denn außer diesem bescheidenen Bildmaterial gibt es leider keine Aufnahmen von meinem Großvater in Friedenszeiten. Der Zweite Weltkrieg steht schon vor der Tür.

  

Links sehen wir Adam, rechts Elisabeth Ernst - jetzt im ihrem Garten in der Friedberger Str. 12. Vorne ist noch deutlich der Brunnen zu sehen, den ich als Kind noch kannte (der aber dann nur noch für die Bewässerung des Gartens genutzt und später zugeschüttet wurde). Einst diente er der Wasserversorgung des Hauses. Im Hintergrund kann man deutlich die "Langen Wiesen" sehen und den Weg, der später zur Höllsteinstraße ausgebaut wurde.


November 9, 1938, Kristallnacht

Leider war bereits zu der Zeit, als die letzten Bilder entstanden, die Welt drum herum schon nicht mehr in Ordnung. So erlebte Adam Ernst zum Beispiel die sogenannte "Reichskristallnacht" durch seinen Arbeitsort Frankfurt hautnah. Er sah die Synagoge brennen, sah die zerstörten Schaufensterscheiben und das auf der Straße liegende Inventar der betroffenen Geschäfte. 

Brennende Frankfurter Synagoge (Quelle: Internet-Auftritt www.altfrankfurt.com)

Mein Vater erinnert sich noch heute daran, wie aufgelöst unser Großvater damals nach Hause kam. Er konnte das Erlebte nicht fassen. Er war der festen Überzeugung, dass es jetzt mit den Nazis bald vorbeisein würde, nachdem sie so gewaltig "überzogen" hätten. Mit dieser Einschätzung der Lage hatte er sicht allerdings gewaltig geirrt. 


Der Zweite Weltkrieg

Den Zweiten Weltkrieg erlebte mein Großvater an der Heimatfront . Zunächst war er unter Leitung der Organisation Todt beim Bau des sog. Führerhauptquartiers Adlerhorst in Langenhain- Ziegenberg  beschäftigt,  später war als  Technischer Nothelfer bei zahlreichen Luftangriffen in und um Bad Homburg im Einsatz.

Aus dieser Zeit sind einige Unterlagen erhalten geblieben, die hier erwähnenswert sind und auch noch einige interessante Details preisgeben. Über die Geschichte der Bunkeranlagen bei Langenhain-Ziegenberg gibt es auch eine kleine Schrift von Kurt Rupp, Obermörlen, herausgegeben 1997 unter dem Titel Das ehemalige Führerhauptquartier Adlerhorst, dem ich noch einige zusätzliche Informationen entnehmen konnte. Hier liest man unter anderem folgendes:

"Im Oktober 1939 bezogen die ersten Arbeiter und Dienstverpflichteten ihre Quartiere in den umliegenden Ortschaften von Langenhain-Ziegenberg. In geheimer Sache und nur mit Passierschein betretbar, baute man das Führerhauptquartier "Adlerhorst" unter Leitung der Organisation Todt. Dieses geschah unter dem Decknamen Mühle."

Dass mein Großvater an diesem Arbeiten beteiligt war, ergibt sich - neben den Erinnerungen meines Vaters -  auch aus dem noch erhaltenen Dienstbuch Nr. Mü-531 der Organisation Todt, wo eben genau diese "Oberbauleitung Mühle" als Arbeits- bzw. Baustelle meines Großvaters erwähnt ist:



(Auszug aus  Dienstbuch Nr. Mü-531.  Georg Adam Ernst)



(Auszug aus Dienstbuch Nr. Z-13045 
Quelle: "Das ehemalige Führerhauptquartier "Adlerhorst",
 Kurt Rupp, Obermörlen 1997)



(Lageplan des ehemaligen Führerhauptquartiers "Adlerhorst"
Quelle: "Das ehemalige Führerhauptquartier "Adlerhorst",
 Kurt Rupp, Obermörlen 1997)

Mein Vater erinnert sich noch gut an diese Zeit. Unser Großvater war damals in in Bad Nauheim in der Nähe des Bahnhofs in einem Hotel untergebracht. Gearbeitet wurde rund um die Uhr. Rund um die Uhr liefen auch die Förderbänder, die den Beton in die Bunker schafften. Sie wurden selbst dann nicht angehalten, wenn jemand in die Baustelle stürtzte. Er kam nur selten nach Hause. Beurlaubt wurde er während dieser Zeit nur zwei mal, und zwar vom 23.12.1939 - 2.1.1940 und vom 15.6.1940 - 17.6.1940.

Das Dienstbuch - Kopie der Innenseite siehe unten - verrät uns noch mehr Details:


(Kopie Innenseite des Ausweises "Organisation Todt)

So erfahren wir zum Beispiel, dass Georg Adam Ernst als Stammarbeiter (Maurer) der Firma Karl Deutschmann, Frankfurt dort tätig war. Die Arbeiten im Zusammenhang mit der Operation "Mühle" begannen für ihn am 11.12.1939 und endeten am 31.10.1940. Der Stundenlohn betrug 90 Pfennige. Urlaub gab's nur zwei mal: Vom 23.12.1939 - 02.01.1940 und vom 15.06.1940 - 17.06.1940.

Als Anschrift finden wir bei Ausstellung des Dienstbuches am 10.9.1940  noch "Kirchgasse 21" - zwei Jahre später (vgl. unten) wohnt die Familie dann in der Friedberg Straße 12 - meinem Elternhaus. Mein Vater erinnert sich: "Mutter (= Elisabeth Ernst) musste mit allem alleine fertig werden. In dieser Zeit kam noch die Pflege von Oma (= Margarethe) und Schwester Maria dazu. Oma war durch einen Schlaganfall ans Bett gebunden, Maria hatte Leberkrebs. Eine große Hilfe war zu dieser Zeit die kath. Gemeindeschwester, die am Tag oft mehrmals kam. Maria starb 1940, Oma 1941. Dann wurde Opa (=Andreas Ernst) immer schwächer. Er starb 1942."

In dieses Zeitfenster fällt auch der Umzug der Familie aus der Kirchgasse in die Friedberger Straße. Das genaue Datum weiß auch mein Vater nicht mehr. Jedenfalls ist in "Opas" Ausweis Nr. 314 der Technischen Nothilfe bereits als Anschrift "Friedberger Str. 12" eingetragen; der Ausweis wurde am 26.03.1942 ausgestellt:



(Kopie Ausweis Georg Adam Ernst, Technische Nothilfe - Innenseite)



(Kopie Ausweis Georg Adam Ernst, Technische Nothilfe - Außenseite)

Zur Erläuterung: In Bad Homburg wurde am  31.1.1939 eine Ortsgruppe der "Technischen Nothilfe" als Hilfsorgan der Polizei für wichtige öffentliche Hilfeleistungen technischer Art aufgestellt (vgl. Geschichte der Stadt Bad Homburg, Band IV). Am 1.9.1939 sorgte die Technische Nothilfe - kurz TN - in ihrem ersten Einsatz für die Einrichtung der Luftschutz Sammelräume. Der TN zugeteilt war der Instandsetzungstrupp des ebenfalls der Polizei unterstellten Luftschutzes.

In den späteren Kriegsjahren war die wichtigste Aufgabe der TN der Einsatz nach Fliegerangriffen. Wer von den "Kirdorfern" Bereitschaft hatte, musste sich bei Fliegeralarm im Schwesternhaus einfinden. Dort verbrachten sie so manche Nachtwache...



(Lokaler Zeitungsausschnitt über den "Technischen Notdienst")

Über den Zweiten Weltkrieg selbst möchte ich an dieser Stelle keine weiteren Worte mehr verlieren. Den Krieg an der Front haben sowohl mein Vater Herbert Ernst, als auch dessen Bruder Heinrich Josef erlebt. Während mein Vater - zwar verwundet - überlebte, fiel mein Onkel Heinrich Josef am 23.3.1943 im Osten. Ihm ist ein eigenes Kapitel in dieser Familienchronik gewidmet. Mein Vater erinnert sich mit knappen Worten an diesen Schicksalsschlag:

"1943 kam die Nachricht, dass Heinrich in Russland gefallen war. Die Benachrichtigung kam an einem Samstag durch die Partei. Ich erfuhr schon auf dem Heimweg von Arbeit, was passiert war." 

Es sollte aber nicht dabei bleiben: Knapp ein Jahr später - am 1.3.1944 -  kam auch Adams Schwester Maria Magdalena, die zusammen mit ihrem Ehemann Bernhard Hofacker nach Frankfurt gezogen war, bei einem Luftangriff ums Leben. Ähnlich, wie auf den beiden folgenden Bildern (Quelle: Internet-Auftritt www.altfrankfurt.com  mag es damals dort ausgesehen haben.

 
(Frankfurt, Garküchenplatz, Luftangriff März 1944)

  
(Frankfurt, Römerberg, 1945)


Die Ereignisse der Nachkriegszeit sind auf einer separaten Seite zusammengefasst, folgen Sie bitte dem unten angebotenen Link .

Ihr 

Ferdi Ernst


weiterblättern    home